Lebensmittelketten im Visier der EU
Unlautere Handelspraktiken im Umgang mit Bauern sollen verboten werden.
BRÜSSEL. Bauern sowie landwirtschaftliche Erzeuger sollen mehr Macht im Umgang mit ihren größten Abnehmern bekommen. EUAgrarkommissar Phil Hogan hat am Donnerstag einen Richtlinienentwurf vorgelegt, mit dem bestimmte unfaire Praktiken von Handelsketten verboten werden. „Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied“, sagte Hogan. Es gehe darum, „denjenigen zu Gerechtigkeit zu verhelfen, die sich völlig unverschuldet in einer schwachen Verhandlungsposition befinden“.
Verboten werden sollen die verspätete Zahlung verderblicher Waren (konkret nach mehr als 30 Tagen ab Rechnungslegung), die kurzfristige Stornierung von Bestellungen solcher Produkte, einseitige Auftragsänderungen sowie erzwungene Zahlungen für im Supermarkt abgelaufene oder verdorbene Waren. Ebenfalls verboten werden soll – außer es ist im Vertrag explizit vereinbart –, dass Handelsketten nicht verkaufte Waren zurückschicken, Zahlungen für ein Listing verlangen oder für Werbung oder Marketing. Geplant ist zudem, dass sich in jedem EU-Land eine zuständige Behörde um die Kontrolle und Durchsetzung der Vorschriften kümmert und vertraulich Beschwerden entgegennimmt, „um den Faktor Angst zu neutralisieren“, sagte Hogan. In Österreich ist dies bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) schon jetzt der Fall.
In 20 der 28 EU-Länder gibt es bereits Gesetze gegen unlautere Handelspraktiken, allerdings nur in wenigen Fällen spezifisch für die Lebensmittelbranche und die typische Situation, in der viele kleine Lieferanten wenigen großen Abnehmern gegenüberstehen. Auch eine freiwillige Initiative für fairen Umgang existiert, die aber offenbar wenig bewirkt hat. Die Richtlinie, die nun von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten verhandelt werden muss, würde „Minimalstandards“in der EU schaffen, so Hogan. Gelten sollen sie für Klein- und Mittelbetriebe ( max. 250 Mitarbeiter und 50 Mill. Euro Umsatz). Markenartikel-Riesen wie Nestlé hätten kein Problem, sich durchzusetzen, heißt es aus Kommissionskreisen.
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat den Vorschlag begrüßt. Er biete eine Grundlage, um eine Beschwerdestelle in Österreich dafür einzurichten.