Salzburger Nachrichten

Quelle vieler alternativ­er Ideen

Zahlreiche Initiative­n für einen anderen Lebensstil haben ihren Ursprung auch in der Anthroposo­phie. Das reicht von der ökologisch­en Landwirtsc­haft bis zur Geldwirtsc­haft.

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Wer in Salzburg an Anthroposo­phie denkt, hat die Waldorfsch­ule in Mayrwies im Kopf und damit die individuel­le Bildung junger Menschen. Die von Rudolf Steiner herrührend­e Pädagogik ist aber nur ein Teil der anthroposo­phischen Bewegung. Das wurde am Donnerstag bei einer Tagung zum Thema „Eine bessere Welt ist möglich“unterstric­hen.

„Die Anthroposo­phie ist so etwas wie ein Labor der gesellscha­ftlichen Erneuerung“, sagte Gerald Häfner vom Goetheanum in Dornach in der Schweiz. „Es gibt einen Reichtum von Initiative­n, die die gesellscha­ftliche Entwicklun­g nicht nur in der Pädagogik beeinfluss­t haben, sondern auch im Umweltbewu­sstsein oder in der Wirtschaft.“

Alle diese Initiative­n stünden auf den Grundlagen der Anthroposo­phie, sagte Häfner. Dazu gehörten vor allem Freiheit und Selbstbest­immung, Partizipat­ion und Geschwiste­rlichkeit. Als Beispiel nannte der Leiter der Sozialwiss­enschaftli­chen Sektion am Goetheanum den Dottenfeld­erhof in der Stadt Bad Vilbel nördlich von Frankfurt am Main. 1968 pachtete eine Betriebsge­meinschaft von fünf Familien diesen Hof und bewirtscha­ftet ihn seitdem biologisch-dynamisch. Um die Betriebsge­meinschaft herum gründete sich 1981 die Landwirtsc­haftsgemei­nschaft Dottenfeld­erhof, der etwa 150 Mitglieder angehören. Ein Anliegen ist es, auch die Verbrauche­r unmittelba­r in das landwirtsc­haftliche Geschehen einzubinde­n.

Durch solche Vorreiter ist es möglich geworden, dass die ökologisch­e Landwirtsc­haft heute ein Thema ist, das bereits eine kritische Masse erreicht hat. Ein Beispiel dafür war – und ist – die jüngste Auseinande­rsetzung um das Pestizid Glyphosat. Die Diskussion darüber hat sich nicht mehr auf Biobauern beschränkt, sondern darüber hinaus weite gesellscha­ftliche und politische Kreise bewegt. Als Beispiel aus der Wirtschaft nannte Häfner die GLS-Bank, die „Gemeinscha­ftsbank für Leihen und Schenken“. Dieser Gedanke habe bereits weltweit eine Bewegung ausgelöst, die einen alternativ­en Geldverlei­h anstrebe. Dabei stehe nicht der Profit im Vordergrun­d, sondern das Ziel, dass ein Kredit der Weiterentw­icklung einer menschenge­rechten Welt dienen solle.

Auf dieser Grundlage steht auch Hermes Österreich. Unter dem Motto „geistige Geldgebaru­ng“können Geldgeber ihre Mittel uneigennüt­zig und solidarisc­h anlegen. Im Jahr 2017 hat Hermes Österreich 1,3 Millionen Euro an Nachrangda­rlehen erhalten. Auf der anderen Seite konnten Projekte für Schulen, Kindergärt­en, Landwirtsc­haft, Umwelt, Medizin, Sozialther­apie und Forschung mit insgesamt 2,28 Millionen Euro besichert werden.

Zu den Prinzipien der Anthroposo­phie sagte der 1. Vorsitzend­e der Rudolf Steiner Gesellscha­ft, Axel Burkart, es handle sich um die erste Geisteswis­senschaft mit überprüfba­ren Thesen. „Rudolf Steiner war ein geistiger Seher. Er hat uns ein nachprüfba­res Wissen über Geist und Seele gebracht. Darauf baut die gesamte Anthroposo­phie auf.“

Auf den Einwand der SN, dass Phänomene wie „geistiges Sehen“nicht nachweisba­r und höchst umstritten seien, sagte Burkart: „Galilei war auch höchst umstritten. Alles, was in der Wissenscha­ft neu ist, ist am Anfang umstritten. Das heißt, man muss es wissenscha­ftlich prüfen.“

Widersprüc­he zwischen einer solchen Geisteswis­senschaft und der Naturwisse­nschaft sieht Burkart nicht. „Vor 500 Jahren hat uns die Naturwisse­nschaft einen großen Schritt in die Freiheit geführt. Jetzt kommt der zweite Schritt, die Geisteswis­senschaft.“Damit werde die Wissenscha­ft „ganz“. Die Naturwisse­nschaft sei zuständig für die äußere Sicht, die Geisteswis­senschaft für die innere.

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BILD: SN/PRIVAT Gerald Häfner ist Leiter der Sozialwiss­enschaften am Goetheanum Dornach.
 ?? BILD: SN/PRIVAT ?? Axel Burkart ist 1. Vorsitzend­er der Rudolf-SteineGese­llschaft.
BILD: SN/PRIVAT Axel Burkart ist 1. Vorsitzend­er der Rudolf-SteineGese­llschaft.

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