Wasserstoff aus Ökostrom hilft Industrie bei Klimaschutz
Österreich will in Europa zum Vorreiter werden, mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff die Energiewende voranzubringen. voestalpine, Siemens und Verbund arbeiten zusammen.
Es gibt nicht viele sogenannte Leuchtturmprojekte zur künftigen Energieversorgung, die die Europäische Union in Österreich fördert – eines davon nimmt jetzt in Linz konkret Gestalt an. Dabei setzen der Stahlkonzern voestalpine, der Stromkonzern Verbund und Siemens als Technologielieferant auf Wasserstoff, der aus überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Eine Pilotanlage ist bereits in Bau, am Montag erfolgte der offizielle Start. Die Anlage soll 18 Millionen Euro kosten. Zwei Drittel davon zahlt die EU, den Rest teilen sich die beteiligten Konzerne.
Dabei greift man auf das seit mehr als 200 Jahren bekannte Verfahren der Elektrolyse zurück, aber die Technologie wurde so weiterentwickelt, dass sie in industriellem Maßstab wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Die drei führenden Unternehmen wollen in den kommenden Jahren herausfinden, wie der sogenannte grüne Wasserstoff, der CO2frei ist, in der Stahlerzeugung Kohle als Energieträger zum Teil ersetzen kann. Gleichzeitig wird erprobt, wie das speicherfähige Gas dazu genutzt werden kann, die je nach Wind und Wetter schwankende Stromproduktion auszugleichen.
Die EU will in den nächsten drei Jahrzehnten – bis zum Jahr 2050 – die Treibhausgasemissionen um 80 Prozent reduzieren. Ein erster Schritt dazu wird mit der Pilotanlage H2Future in Linz gemacht.
„Wasserstoff löst SpeicherDilemma.“Wolfgang Eder, voestalpine-Chef
In einem mittelgroßen Partyzelt gaben die Chefs von drei führenden heimischen Industriebetrieben am Montag offiziell den Startschuss für ein Projekt, das die Energieversorgung der Zukunft maßgeblich prägen könnte: Auf dem Werksgelände der voestalpine in Linz erfolgte der Baustart für eine Anlage zur Erzeugung von Wasserstoff aus dem Überschussstrom von erneuerbaren Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasser.
Neben dem Stahlkonzern sind der Verbund als Energielieferant und Siemens als Hersteller der Technologie bei „H2Future“dabei. Der Begriff beschreibt auf Englisch die Stoßrichtung: Mit Wasserstoff in die Zukunft. H steht für das chemische Element, im Englischen heißt es Hydrogen nach dem lateinischen Vorbild hydrogenium.
Die Pilotanlage soll rund 18 Millionen Euro kosten und in einem Jahr mit einer Leistung von sechs Megawatt (MW) in Vollbetrieb gehen. Der durch Elektrolyse aus grünem Strom erzeugte Wasserstoff ist CO2-frei, kann direkt zur Stahlerzeugung beigemischt werden und dabei einen Teil von Kohle und Koks ersetzen. Den größten Vorteil bietet das Gas aber dadurch, dass es sich im Gegensatz zu elektrischer Energie auch in großen Mengen speichern lässt. Zwei Drittel der Kosten für die Pilotanlage übernimmt die Europäische Union, die grünen Wasserstoff als eine Schlüsseltechnologie sieht, um unterschiedliche Wirtschaftssektoren energiemäßig klimaneutral zu verknüpfen.
Standesgemäß spielte eine fünfköpfige Abordnung des voestalpine Blasorchesters auf – zum Charakter des Projekts passend intonierten die Musiker die bekanntesten Takte aus Beethovens neunter Sinfonie: Europas offizielle Hymne.
Die Konzernchefs zeigten sich sehr optimistisch, dass aus der Wasserstoff-Pilotanlage in wenigen Jahren mehr werden kann – die Rede ist schon von der zehnfachen Kapazität. Nach einem zweijährigen Versuchsprogramm ab Frühjahr 2019 soll es 2021 Klarheit geben, in welchem Ausmaß CO2-neutral erzeugter Wasserstoff in der Stahlerzeugung eingesetzt werden kann.
Die Vorstände sparten daher auch nicht mit großen Worten, allen voran Hausherr Wolfgang Eder. „Wir reden hier über die langfristige Zukunft der Stahlindustrie in 15 bis 25 Jahren“, sagte der voestalpine-Chef. Gleichzeitig machte der Vorstandsvorsitzende klar, dass die Stahlproduktion nur Schritt für Schritt klimaschonender gemacht werden kann. voestalpine brauche so viel Energie, wie die halbe Stromproduktion Österreichs ausmache – eine Umstellung würde mehr als zehn Milliarden Euro kosten und „ist nicht realistisch“, sagte Eder.
Im neuen US-Werk in Texas werde schon Erdgas bei der Direktreduktionsanlage verwendet, und gegenüber Kohle und Koks bedeute Erdgas um 40 Prozent weniger CO2Ausstoß. In Texas gebe es viel Wind- und Solarenergie, man werde Strom bzw. Wasserstoff künftig „stärker heranziehen“. Auf konkrete Zahlen wollte sich Eder nicht festlegen, dafür sei es noch zu früh.
Für den Verbund, mit 128 Wasserkraftwerken und 8200 MW Gesamtleistung Österreichs größter Stromerzeuger, biete die Wasserstofftechnologie die Chance, die Wertschöpfungskette zu verlängern, betonte Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Hier wolle man grünen Wasserstoff neben Ökostrom aus Wasserkraft als zweiten Energieträger aufbauen. „Wasserstoff hat sehr großes Potenzial, nicht nur in der Metallurgie, sondern auch in der Mobilität“, sagte Anzengruber. Wie berichtet, wird in Tirol die Zillertalbahn in den nächsten Jahren von Diesel auf Wasserstoffantrieb umgerüstet, die Ausschreibung hat schon begonnen.
Wolfgang Hesoun, Chef von Siemens Österreich, betonte, mit der Pilotanlage in Linz könne Siemens zeigen, wie eine Elektrolyse in wirtschaftlicher Form in der Energieerzeugung eingesetzt werden könne. Wasserstoff sei ein speicherfähiges Medium, mit dem vorhandene Transportnetze wie Erdgasleitungen genützt werden könnten. Die Anlage in Linz entsteht in einer 18 mal 25 Meter großen Betonhalle. Sie arbeitet mit 230 Tonnen voll entsalztem Wasser, das ursprünglich aus der Donau stammt. Durch die modulare Bauweise lasse sie sich jederzeit aus- und einschalten, ohne dass größere Energieverluste entstünden, wurde betont.