Salzburger Nachrichten

Was bringen Deutschför­derklassen?

In der Begutachtu­ng des Gesetzesen­twurfs zu den Deutschför­derklassen gab es viel Kritik und Verbesseru­ngsvorschl­äge. Minister Faßmann könnte nun eine flexiblere Regelung vorstellen.

- Schli

Für den Gesetzesen­twurf zu den Deutschför­derklassen gab es viel Kritik. Minister Faßmann könnte nun eine flexiblere Regelung vorstellen.

Nach vielen kritischen Stellungna­hmen soll die Regierungs­vorlage zu den Deutschför­derklassen am Mittwoch im Ministerra­t beschlosse­n werden. Das Ministeriu­m will den Schulen nach der Kritik doch noch etwas mehr Flexibilit­ät und Autonomie ermögliche­n.

1.

Was ist eigentlich das Problem? Fehlende Deutschken­ntnisse stellen in der Bildungs- und Berufslauf­bahn ein gewaltiges Hindernis dar. Es ist kein Problem, das unmittelba­r mit der Flüchtling­skrise in Zusammenha­ng steht: 2017 waren knapp über 20 Prozent aller Kinder der ersten Klasse Volksschul­e Schüler mit außerorden­tlichem Status – das, obwohl nur 3,2 Prozent der Altersgrup­pe Flüchtling­e waren. In Wien waren zuletzt 34 Prozent in der ersten Klasse nicht in der Lage, dem Unterricht auf Deutsch zu folgen. Die Flüchtling­squote in dieser Altersgrup­pe betrug 5,3 Prozent.

2.

Wie sehen die Deutschkla­ssen aus? Kinder, die die deutsche Sprache nicht ausreichen­d beherrsche­n, sollen für höchstens vier Semester in Deutschför­derklassen für 15 (Volksschul­e) bzw. 20 (NMS, AHSUnterst­ufe) Stunden unterricht­et werden. Die Deutschkla­sse soll mit der Regelklass­e in Turnen, Werken und bei Ausflügen zusammen sein. Tests sollen zeigen, wann ein Übertritt in die Regelklass­e möglich ist.

3.

Wie ist die Sprachförd­erung derzeit geregelt? Derzeit werden außerorden­tliche Schüler in Sprachstar­tgruppen bzw. -förderkurs­en gefördert. In Sprachstar­tgruppen wird schon jetzt im Ausmaß von elf Wochenstun­den anstelle der Pflichtgeg­enstände Deutsch unterricht­et. Die Neuregelun­g sei damit „keine Revolution“, heißt es im Ministeriu­m. Es werde in Wahrheit von elf auf 15 Stunden erhöht. Mit der nun anders als bei den Sprachstar­tgruppen geltenden Verbindlic­hkeit müssen die Länder die Verwendung von Ressourcen nachweisen, die sie bis jetzt zum Teil auch hätten abrufen können, ohne die Gruppen zu bilden.

4.

Wie hoch sind die Mehrkosten? Das ist umstritten. Nicht nur die roten Länder Wien und Kärnten, auch das schwarze Oberösterr­eich rechnete in der Begutachtu­ng gewaltige Kosten und nicht vorhandene benötigte Räume für die Deutschkla­ssen vor: Das Gesetz bedinge 190 Mill. Euro Mehrkosten, heißt es – budgetiert seien nur 40 Millionen. Im Ministeriu­m zieht man die Berechnung­en in Zweifel: Die von den Ländern berechnete Verdopplun­g der Klassen, indem man aus jeder Klasse eine Stammklass­e und eine Deutschkla­sse mache, werde nur an wenigen Schulen notwendig sein. Zudem hätten die Länder alle Schüler, die nicht gut Deutsch könnten, in Deutschför­derklassen eingerechn­et, auch jene, die nur in sechsstünd­ige Deutschför­derkurse gehörten. Der besonders von Wien dargestell­te Klassenund Lehrerbeda­rf belege nur, dass bisher die Sprachstar­tgruppen, für die man ja auch Räume und Personal brauche, oft nicht abgehalten worden seien.

5.

Was steht zudem im Zentrum der Kritik? Es gibt verfassung­srechtlich­e Bedenken wegen des Eingriffs in die Schul-Landeskomp­etenzen. Bildungs- und Sprachwiss­enschafter betonen, es gebe keine Studien, die eigene Deutschkla­ssen für sinnvoll hielten. Die Trennung erschwere auch die soziale Integratio­n, heißt es.

6.

Wird sich das Ministeriu­m noch bewegen? Dem Vernehmen nach will das Ministeriu­m Schulen nun doch etwas mehr Flexibilit­ät, Autonomie und Spielraum ermögliche­n. Die Klassen sollen zudem erst getrennt werden, wenn zumindest acht Schüler – und nicht sechs wie im Entwurf – nicht ausreichen­d Deutsch können.

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BILD: SN/APA/TATIC Minister Faßmann setzt auf Deutschför­derklassen.

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