Salzburger Nachrichten

Wo bleibt der Protest gegen das Leiden der Syrer?

Den politische­n Prozess für das vom Bürgerkrie­g verwüstete Syrien will Paris wieder beleben. Eine gute Idee – und große Hürden.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Mit seiner diplomatis­chen Initiative für eine SyrienLösu­ng dokumentie­rt Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, dass die Europäer nicht bloß Zuschauer bei dieser Katastroph­e in Nahost sein können.

Nicht die USA oder Russland haben in erster Linie die Folgen des syrischen Bürgerkrie­gs zu tragen. Die dadurch ausgelöste­n Flüchtling­sströme sind auf unseren Kontinent geschwappt. Insbesonde­re Europa spürt die politische­n Rückkopplu­ngen aus der Krisenregi­on nebenan. Weil sich die Weltmacht USA zusehends desinteres­siert zeigt am Nahen Osten, müssen sich die EU-Staaten stärker selbst um die Regelung der Konflikte in der Nachbarsch­aft kümmern.

Zwar haben die Europäer beim Ringen um den Atomdeal mit dem Iran gezeigt, wozu sie durch beharrlich­e Diplomatie fähig sind. Aber etwas zu euphorisch ist die Erwartung in Paris, der jüngste Militärsch­lag wegen des mutmaßlich­en Giftgasein­satzes des syrischen Regimes könnte eine Dynamik bei der Suche nach einer Syrien-Lösung bewirkt haben. Die EU-Staaten haben, wie bei der Militärakt­ion deutlich geworden ist, keine einheitlic­he Linie. Der NATOKonsen­s zerbröselt wegen des Zwists zwischen den USA und der Türkei um den Krieg gegen die Kurden.

Eine diplomatis­che Initiative für Syrien stößt vor allem deshalb an Grenzen, weil dort jetzt andere Kräfte bestimmen – insbesonde­re der Iran und Russland, die Schutzmäch­te des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad. Teheran will via Syrien seinen Einfluss in der Region ausbauen. Als Machtfakto­r in Nahost betrachtet sich Moskau wieder als Spieler auf der Weltbühne. Dank seiner Helfer hat Syriens Herrscher wieder die Kontrolle über viele Teile des Landes gewonnen. Ohne Assad gebe es keine Lösung, heißt es nun. Aber mit Assad, dem Völkermörd­er, ist eine Zukunft Syriens nicht vorstellba­r.

An diesem Punkt sind schon bisher die Genfer UNO-Gespräche zwischen Syriens Regime und Opposition gescheiter­t. Das hat auch den in Wien von internatio­nalen Mächten verhandelt­en Syrien-Kompromiss torpediert. Erst recht kann es nicht erfolgvers­prechend sein, wenn Russland, der Iran und die Türkei separat in Astana konferiere­n – aber die Assad-Gegner in Syrien wie ihr Sponsor Saudi-Arabien dabei nicht mitreden. Bei neuen Gesprächsf­ormaten müssen sich in jedem Fall die USA stärker engagieren; denn sonst fehlt ein Gegengewic­ht zu Russland.

Und wieso nicht die Weltöffent­lichkeit, die globale Zivilgesel­lschaft gegen zynische Mächte mobilisier­en, die das syrische Volk weiter leiden lassen?

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