Wo bleibt der Protest gegen das Leiden der Syrer?
Den politischen Prozess für das vom Bürgerkrieg verwüstete Syrien will Paris wieder beleben. Eine gute Idee – und große Hürden.
Mit seiner diplomatischen Initiative für eine SyrienLösung dokumentiert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dass die Europäer nicht bloß Zuschauer bei dieser Katastrophe in Nahost sein können.
Nicht die USA oder Russland haben in erster Linie die Folgen des syrischen Bürgerkriegs zu tragen. Die dadurch ausgelösten Flüchtlingsströme sind auf unseren Kontinent geschwappt. Insbesondere Europa spürt die politischen Rückkopplungen aus der Krisenregion nebenan. Weil sich die Weltmacht USA zusehends desinteressiert zeigt am Nahen Osten, müssen sich die EU-Staaten stärker selbst um die Regelung der Konflikte in der Nachbarschaft kümmern.
Zwar haben die Europäer beim Ringen um den Atomdeal mit dem Iran gezeigt, wozu sie durch beharrliche Diplomatie fähig sind. Aber etwas zu euphorisch ist die Erwartung in Paris, der jüngste Militärschlag wegen des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes des syrischen Regimes könnte eine Dynamik bei der Suche nach einer Syrien-Lösung bewirkt haben. Die EU-Staaten haben, wie bei der Militäraktion deutlich geworden ist, keine einheitliche Linie. Der NATOKonsens zerbröselt wegen des Zwists zwischen den USA und der Türkei um den Krieg gegen die Kurden.
Eine diplomatische Initiative für Syrien stößt vor allem deshalb an Grenzen, weil dort jetzt andere Kräfte bestimmen – insbesondere der Iran und Russland, die Schutzmächte des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Teheran will via Syrien seinen Einfluss in der Region ausbauen. Als Machtfaktor in Nahost betrachtet sich Moskau wieder als Spieler auf der Weltbühne. Dank seiner Helfer hat Syriens Herrscher wieder die Kontrolle über viele Teile des Landes gewonnen. Ohne Assad gebe es keine Lösung, heißt es nun. Aber mit Assad, dem Völkermörder, ist eine Zukunft Syriens nicht vorstellbar.
An diesem Punkt sind schon bisher die Genfer UNO-Gespräche zwischen Syriens Regime und Opposition gescheitert. Das hat auch den in Wien von internationalen Mächten verhandelten Syrien-Kompromiss torpediert. Erst recht kann es nicht erfolgversprechend sein, wenn Russland, der Iran und die Türkei separat in Astana konferieren – aber die Assad-Gegner in Syrien wie ihr Sponsor Saudi-Arabien dabei nicht mitreden. Bei neuen Gesprächsformaten müssen sich in jedem Fall die USA stärker engagieren; denn sonst fehlt ein Gegengewicht zu Russland.
Und wieso nicht die Weltöffentlichkeit, die globale Zivilgesellschaft gegen zynische Mächte mobilisieren, die das syrische Volk weiter leiden lassen?