Der Militärschlag in Syrien ist völkerrechtlich nicht gedeckt
Allen UNO-Staaten ist der Einsatz von Militärgewalt grundsätzlich verboten. Ausnahmen gibt es nur zwei.
Nach Russland hat am Montag ein weiteres ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrats den Militärschlag von USA, Großbritannien und Frankreich in Syrien scharf verurteilt: Er habe das Grundprinzip der Nichtanwendung von Gewalt im internationalen Recht verletzt und verstoße gegen die UNO-Charta, erklärte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums.
Tatsächlich gibt es nur zwei Ausnahmen, in denen die Charta der Vereinten Nationen ihren Mitgliedern den Einsatz von Waffengewalt gegen einen anderen Staat erlaubt: zur Selbstverteidigung oder mit der ausdrücklichen Zustimmung des UNO-Sicherheitsrats. Beides trifft im Falle des jüngsten Militärschlags nicht zu: Russland und China stellten sich im UNO-Sicherheitsrat gegen einen Militärangriff. Selbstverteidigung fällt als Rechtfertigung aus, weil weder die USA noch Großbritannien oder Frankreich angegriffen worden sind.
Was als Rechtfertigung ins Treffen geführt wird, ist die Verteidigung des syrischen Volkes. Beim UNO-Weltgipfel 2005 haben sich die Mitglieder auf eine „Schutzverantwortung“geeinigt. Teil davon ist, dass die internationale Gemeinschaft Zivilisten vor Kriegsverbrechen schützt, wenn ihr Land das nicht tut – oder gar selbst gegen diese vorgeht. Ein solches Eingreifen muss aber friedlich sein – oder vom UNO-Sicherheitsrat abgesegnet.
Bereits am Wochenende hatte Österreichs Außenministerin Karin Kneissl in einem Fernsehinterview Militärschläge wie jenen in Syrien als „immer bedenklich“bezeichnet. Allerdings wies sie auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats von 2013 hin, in der der Einsatz von Chemiewaffen verurteilt und für den Fall weiterer Chemieangriffe in Syrien Reaktionen angekündigt wurden. Darin könne man „eine grundsätzliche Haltung des UNOSicherheitsrats“erkennen, dass ein Militärschlag als Reaktion nach einem Giftgasangriff „irgendwie gedeckt“sei, erklärte Kneissl.
Kirsten Schmalenbach, Professorin für Völkerrecht an der Universität Salzburg, hält diese Auslegung für heikel. In der Resolution von 2013 sei nicht konkretisiert worden, um welche Maßnahmen es sich bei einer Reaktion handle, sie sei sehr vage formuliert. Generell warnt die Juristin vor einer Überinterpretation von älteren UNO-Resolutionen. Und davor, das generelle Gewaltverbot aufzuweichen.
Ob sich das Völkerrecht dahin bewegt? Zumindest stelle sich derzeit die Frage, ob sich eine Ausnahme vom Gewaltverbot entwickle, wenn es um den Einsatz von Chemiewaffen gehe. „Ob das wünschenswert ist, sei dahingestellt“, sagt Schmalenbach, denn „jede Ausnahme vom Gewaltverbot kann zu einer Eskalation führen“.
Laut Peter Hilpold, Völkerrechtler an der Universität Innsbruck, ist der Großteil der Staatengemeinschaft nicht interessiert, eine Ausnahme vom Gewaltverbot zu schaffen. „Weil die Errungenschaften des UN-Friedensrechts, in dessen Mittelpunkt das Gewaltverbot steht, außer Zweifel stehen.“Um eine Verurteilung des Raketenangriffs als völkerrechtswidrig zu vermeiden, bleibe derzeit nur eine Möglichkeit: „Hier das Vorliegen einer ,sui generis‘-Situation zu behaupten“, sagt Hilpold – also ein Spezialfall.
„Jede Ausnahme vom Gewaltverbot kann zu einer Eskalation führen.“