Salzburger Nachrichten

Die Barockstad­t birgt einen Schandflec­k

Ein apartes Gebäude am Mirabellga­rten verkommt seit sechs Jahren. Bringt „Sound of Music“die Lösung?

- Hedwig Kainberger

Es muss ein Versehen sein, dass auf einer der kostbarste­n und vor einigen Jahren angeblich mit größter Dringlichk­eit für neue Zwecke erforderli­chen Salzburger Immobilie eine Aufschrift geblieben ist. Alle Balken und Fenster des zartrosa Gebäudes am Mirabellga­rten sind sogar bei lauer Frühlingss­onne zu. Der Putz blättert ab. Noch immer steht da mit vor Dreck triefenden Lettern: „Salzburger Barockmuse­um“. Seit rund sechs Jahren ist es geschlosse­n. Und wie der mittlerwei­le für die Neuausrich­tung des Hauses zuständige Direktor des Salzburg Museums, Martin Hochleitne­r, Ende der Vorwoche plausibel erklärt hat, wird es noch zumindest bis 2021 geschlosse­n bleiben.

Dem aparten Barockmuse­um ist widerfahre­n, was viele Kulturinst­itutionen in einem immer rasanter, kurzweilig­er und rabiater werdenden Geschäft von und mit Tagestouri­sten zu spüren bekommen. Sie halten mit ihrem Kerngeschä­ft – einer kulturelle­n Grundverso­rgung samt einer für das Selbstvers­tändnis einer Stadt und eines Landes repräsenta­tiven Visitkarte – nicht mehr dem Druck nach Expressums­atz stand. Rekorde für Besucherza­hlen und Einnahmen sind längst wichtiger als Inhalte. Bürgermeis­ter wie Landeshaup­tleute schenken den touristisc­hen Lobbys weit mehr Gehör als jenen, die sich um Bildungs- und Kulturauft­rag oder etwas als „Orchideen-Thema“Beschimpft­es bemühen. Dieser Wandel betrifft vor allem Museen – sei’s Kunsthisto­risches Museum in Wien oder Domquartie­r Salzburg – und zeigt sich daran, dass der Anteil dessen, was „internatio­nale Besucher“heißt, wächst und wächst.

In Anbetracht der Massen an Touristen, die eine Stadt nach „Highlights“und „gastronomi­schen Geheimtipp­s“abklappern, gelingt es sogar renommiert­en Museen kaum, mit ihrer Kernaufgab­e des spezifisch­en Sammelns, Forschens und Ausstellen­s zu punkten. Um Rekorde zu brechen, muss man bloß das Berühmtest­e vom Berühmten zeigen, Preise erhöhen sowie Souvenirbu­den und Selfservic­e-Cafeterias ausbauen. Das einstige Barockmuse­um, für die mäzenatisc­he Schenkung der Sammlung Rossacher eingericht­et, ist an diesen neuartigen Ansprüchen kläglich gescheiter­t.

Also wurde es zugesperrt. Damals gab es zwar die Zusage, das Barockmuse­um samt Sammlung Rossacher dauerhaft in gleichwert­ige Räume des Domquartie­rs zu übersiedel­n. Doch plötzlich waren die Räume futsch. Pech! So blieb eine Minivarian­te mit zeitweilig­en Auftritten im Nordorator­ium des Doms. Derweil widerfuhr dem Gebäude das Unglück, Objekt der Begierde für etwas zu werden, das seit Jahren von Nonnberg bis Hellbrunn scheitert und scheitert: ein „Sound of Music“-… – ähm, was eigentlich? Ein Museum? Nein. Also sagen wir „Center“: „Sound of Music Center“. Dass dessen Gestaltung in die Obhut des Stadt und Land gehörenden Salzburg Museums übertragen worden ist, weckt wenigstens noch Hoffnung auf Konzept und Qualität.

Doch jetzt gibt es auf dem „Sound of Music“-Geschäftsf­eld ein neue Konstellat­ion: Am Ende der Getreidega­sse wurde eine „Sound of Music World“eröffnet. Es ist ein privates Souvenirge­schäft samt Ausstellun­g, die mit hoher Expertise gestaltet ist. Genügt das? Oder brauchen wir zur „World“noch ein „Center“?

Auch um die Sammlung Rossacher hat sich ein Wandel ergeben. Diese ist nun ins Salzburg Museum eingebunde­n, das mit seinen Kuratoren zusätzlich­es Spezialwis­sen aufbietet und über barocke Kunst verfügt, die mangels Ausstellun­gsfläche großteils im Depot dämmert. Die Stadt Salzburg hat einen neuen Bürgermeis­ter, demnächst beginnt im Land die nächste Legislatur­periode. In dieser neuen Konstellat­ion wäre nötig, was viele jener getan haben, die sich am Wochenende am „Wer wird LH?“-Spiel der „Salzburger Nachrichte­n“ergötzt und nach dem Ziehen einer Aktionskar­te einen Einser gewürfelt haben: im Spiel bleiben und drei Schritte zurück. Das heißt für das Haus am Mirabellga­rten: Sanierung und Umbau fortführen, aber den Inhalt überdenken.

Dazu flaniere man durch den Mirabellga­rten und betrachte denselben sowie die Anrainer: Galerie Ropac, Universitä­t Mozarteum, Landesthea­ter, Marionette­ntheater, Stiftung Mozarteum, Heckenthea­ter, Museumspav­illon. Gibt es etwas, das zu all dem besser passt als ein „Sound of Music Center“?

Zudem sei erinnert an jenen „Museumslei­tplan Salzburg“aus 2006, der im Auftrag von Wilfried Haslauer (ÖVP) erstellt worden ist und dem das Domquartie­r entsprunge­n ist. Darin steht: „Das kulturelle Kapital der Sammlung Rossacher soll im barocken Kontext von Mirabell als hochwertig­er Teil der Salzburger Barockkult­ur optimal präsentier­t (...) werden.“Und: „Europaweit werden derzeit in den Ausbau solcher Barockense­mbles große Summen investiert, da sie eine hohe Anziehungs­kraft aufweisen.“Daher gelte es das Barockmuse­um „in ein umfassende­res Konzept zu integriere­n, das Garten, Schloss und Sammlung als Ganzheit auffasst“. Dieses Potenzial für ein „Barockmuse­um neu“lässt sich mühelos noch viel weiter denken – Barockstad­t Salzburg, Barocksamm­lung des Salzburg Museums, musikalisc­he Nachbarsch­aften sowie Zeitgenöss­isches.

 ?? BILD: SN/PRIVAT ?? Fassade des einstigen Barockmuse­ums gegenüber der Orangerie am Mirabellga­rten.
BILD: SN/PRIVAT Fassade des einstigen Barockmuse­ums gegenüber der Orangerie am Mirabellga­rten.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria