Kirche will im Salzburger Dom Eintritt verlangen
Die vielen Touristen bereiten den Verantwortlichen für den Salzburger Dom große Sorgen.
Der Dom zu Salzburg ist in doppelter Not. Zum einen erfordern die zunehmenden Massen an Tagestouristen kostspielige Reinigung, wenn nicht gar Müllabfuhr, im Kirchenraum sowie zusätzliche Sicherheitsund Ordnungsdienste. Zum anderen krankt die Finanzierung für den Erhalt des Weltkulturerbes. So muss jetzt mangels Geld und Spenden die erst vor Kurzem begonnene Sanierung der Kirchenbänke gestoppt werden. Für beides gäbe es Linderung: Eintrittsgeld. Ab 2019 soll dieses eingehoben werden.
Noch grübeln die vier Herren, die für den Dom zu Salzburg Verantwortung tragen. Ihre zwei Sorgen sind drastisch. Und die Zeit drängt.
Die eine Sorge bedingen die vielen Tagestouristen in der Innenstadt. „Die machen vor dem Dom nicht halt“, sagt Dombaumeister Hermann Aigner. An „massiven Tagen“– vor allem in der nun einsetzenden Sommersaison und im Advent – bewegten sich bis zu 20.000 Menschen durch den Dom. Offenbar gibt es immer mehr Kurzbesucher – die etwa in einer 90-minütigen Stadttour auf rund zehn Minuten durch die Metropolitankirche sausen oder die eine Kreuzfahrt auf der Donau unternehmen, in Passau aussteigen und zum Tagesausflug per Bus zum Dombesuch nach Salzburg gekarrt werden. „Viele Leute haben es extrem eilig“, berichtet Mesner Jochen Hofer. Einige „rennen sogar durch“und machten „mit ihren Stangen“ihre Selfies. „Ich bezweifle, ob die überhaupt merken, dass sie in einer Kirche sind.“
Übers Jahr gingen an die zwei Millionen Touristen durch das Gotteshaus, sagt Domkustos Johann Reißmeier und warnt: Experten zufolge dürfte sich mit dem Städtetourismus die Zahl jener, die in den Dom drängen, in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren verdoppeln.
Aber schon derzeit sind an manchen Tagen die Strapazen kaum erträglich. „Mir geht es jetzt schon so: Es ist nicht zum Mögen“, beklagt Johann Reißmeier. Und: „Oft ist då a Gschroa! Wenn ich aus der Sakristei herausgeh’, hör’ ich manchmal einen Fremdenführer beim Sakramentsaltar geradezu brüllen. Warum schreit der so?“Zum Lärmpegel kommt der Müll. Jausenpapiere sowieso, doch auch Bierflaschen und sogar Zigarettenstummel im Weihwasserbecken müssen entfernt werden. Den als WC missbrauchten Beichtstuhl habe es auch schon gegeben, berichtet Baumeister Hermann Aigner.
Mesner Jochen Hofer entrüstet sich über schlechtes Benehmen: Einige Leute „lungern herum“oder legten sich zum Fotografieren auf den Boden. Vor allem im Hochsommer sei die Kleidung dürftig – „in Moschee, Hindutempel oder Synagoge wäre das undenkbar“.
Das größte Ärgernis erscheint den Herren nicht der Aufwand, sondern: „Die Kirche verliert ihren Auftrag“, warnt Hermann Aigner. Und Tourismus- und Freizeitseelsorger Hermann Signitzer versichert: Der Dom solle ein gastfreundliches Haus bleiben. Als Gotteshaus solle es primär ein Haus der Andacht und des Gebetes sein und christliche Botschaften vermitteln. Johann Reißmeier erinnert an die Aufschrift auf der Fassade: „Haec est domus dei in qua invocabitur nomen eius“(Dies ist das Haus Gottes, in dem sein Name angerufen wird).
Um Besucherströme zu ordnen, wird seit August des Vorjahres ein Rundgang durch Seitenschiffe und Vierung mit roten Bändern markiert. Dies hätten Fremdenführer sowie Salzburger kritisiert, gesteht Hermann Signitzer. Da erwidert Hermann Aigner: „Ich wäre nicht beleidigt, wenn es das nicht gäbe. Aber da muss das Maximum auf 10.000 Besucher pro Tag herunter.“
In Anbetracht all dessen ist beschlossen: Ab Sommer 2019 wird Eintritt verlangt. 2019! Ist das zu schaffen? In der Hochsaison sei die Situation unerträglich, betont Reißmeier. Ihm sei klar, dass 2019 eine knappe Zielvorgabe sei. „Aber mir geht es um zügiges Vorgehen.“
Bis dahin ist viel zu klären, vor allem der Preis. Wenn für den Wiener Stephansdom sechs Euro verlangt werden, könnten dann in Salzburg fünf Euro angemessen sein? Ob zwei, drei oder fünf – die Höhe des Preises sei noch nicht entschieden, „das muss durchgerechnet werden“, versichert Johann Reißmeier.
Auch auf Aufwandseite ist vieles unklar. Erstens geht es um zusätzliches Personal. Voraussichtlich werden etwa fünf Mitarbeiter für Ordnungs- und Sicherheitsdienst erforderlich sein. Weiters ist zu klären, wie die Sicherheitskontrolle erfolgen soll, wo Tickets verkauft und wo sie kontrolliert werden und was ein über Smartphone abrufbarer Audioguide bieten kann.
Auch Führungen sollen ab nächstem Jahr autorisiert werden. Derzeit kann jeder im Dom erzählen, was, wem und wie er will. So lassen sich bei Schlechtwetter oft ganze Gruppen in den Kirchenbänken nieder, um eine Einführung in die Stadtgeschichte zu bekommen.
Künftig wird nur noch führen dürfen, wer vom Domkustos dazu autorisiert ist. „Wir wollen niemanden ausschließen, aber das Ziel ist Qualität“, sagt Johann Reißmeier.
Mit den professionellen Fremdenführern wird Hermann Signitzer sowieso in stetem Kontakt sein. Zudem wird für Jänner 2019 im Bildungshaus St. Virgil eine Kirchenführerausbildung mit fünf Modulen vorbereitet; wer die absolviert, wird im Dom führen dürfen. Weiters plant Hermann Signitzer ein Vermittlungsprogramm mit Spezialund Kinderführungen.
Für touristische Zusatzkosten wie Sicherheitspersonal, Reinigung und möglicherweise auch ein Besucherzentrum sind Kartenerlöse nötig. Derzeit ergebe – mit Einnahmen aus Opferkerzenverkauf, Kollekte und Spenden – der laufende Betrieb pro Jahr an die 100.000 Euro Defizit, erläutert Hermann Aigner und versichert: „Was der Dom keinesfalls werden soll, ist ein Geschäft!“
Doch den Baumeister beschäftigt ein noch größeres Problem, und das ist die anfangs erwähnte zweite Sorge: die Instandhaltung des Doms. „Wir sollten ihn der Nachwelt in würdiger Form weitergeben können, und nicht abgewirtschaftet und kaputt.“Um dies zu gewährleisten, fehlt es an vielen Ecken.
Beispiel Kirchenbänke, die teilweise aus dem 17. Jahrhundert stammen: Bisherige Spendenaufrufe hätten einige Tausend Euro gebracht, doch die nötigen 600.000 Euro seien nicht in Sicht. „Es steht in den Sternen, wie wir das finanzieren können.“Also habe er die Restaurierung der Bänke abbrechen müssen, „wir haben kein Geld“. Ungewiss sei zudem, wie die 150.000 Euro für eine im Herbst anstehende „normale Generalrevision der Orgel“aufzubringen oder wie Wassereinbrüche im südlichen Seitenschiff zu verhindern sein würden.
Für Bauinvestitionen bekomme der Dom etwa ein Drittel aus den Kirchenbeiträgen, sagt Hermann Aigner. Bestenfalls ein zweites Drittel steuerten Bundesdenkmalamt, Land und Stadt bei. Doch der Rest? Ohne Eintritt von Touristen „werden wir auf kurz oder lang den Dom nicht finanzieren können“.
„Es ist nicht mehr zum Mögen.“ Johann Reißmeier, Prälat und Domkustos