Salzburger Nachrichten

Kirche will im Salzburger Dom Eintritt verlangen

Die vielen Touristen bereiten den Verantwort­lichen für den Salzburger Dom große Sorgen.

- BILD: SN/FRANZ NEUMAYR/SB

Der Dom zu Salzburg ist in doppelter Not. Zum einen erfordern die zunehmende­n Massen an Tagestouri­sten kostspieli­ge Reinigung, wenn nicht gar Müllabfuhr, im Kirchenrau­m sowie zusätzlich­e Sicherheit­sund Ordnungsdi­enste. Zum anderen krankt die Finanzieru­ng für den Erhalt des Weltkultur­erbes. So muss jetzt mangels Geld und Spenden die erst vor Kurzem begonnene Sanierung der Kirchenbän­ke gestoppt werden. Für beides gäbe es Linderung: Eintrittsg­eld. Ab 2019 soll dieses eingehoben werden.

Noch grübeln die vier Herren, die für den Dom zu Salzburg Verantwort­ung tragen. Ihre zwei Sorgen sind drastisch. Und die Zeit drängt.

Die eine Sorge bedingen die vielen Tagestouri­sten in der Innenstadt. „Die machen vor dem Dom nicht halt“, sagt Dombaumeis­ter Hermann Aigner. An „massiven Tagen“– vor allem in der nun einsetzend­en Sommersais­on und im Advent – bewegten sich bis zu 20.000 Menschen durch den Dom. Offenbar gibt es immer mehr Kurzbesuch­er – die etwa in einer 90-minütigen Stadttour auf rund zehn Minuten durch die Metropolit­ankirche sausen oder die eine Kreuzfahrt auf der Donau unternehme­n, in Passau aussteigen und zum Tagesausfl­ug per Bus zum Dombesuch nach Salzburg gekarrt werden. „Viele Leute haben es extrem eilig“, berichtet Mesner Jochen Hofer. Einige „rennen sogar durch“und machten „mit ihren Stangen“ihre Selfies. „Ich bezweifle, ob die überhaupt merken, dass sie in einer Kirche sind.“

Übers Jahr gingen an die zwei Millionen Touristen durch das Gotteshaus, sagt Domkustos Johann Reißmeier und warnt: Experten zufolge dürfte sich mit dem Städtetour­ismus die Zahl jener, die in den Dom drängen, in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren verdoppeln.

Aber schon derzeit sind an manchen Tagen die Strapazen kaum erträglich. „Mir geht es jetzt schon so: Es ist nicht zum Mögen“, beklagt Johann Reißmeier. Und: „Oft ist då a Gschroa! Wenn ich aus der Sakristei herausgeh’, hör’ ich manchmal einen Fremdenfüh­rer beim Sakraments­altar geradezu brüllen. Warum schreit der so?“Zum Lärmpegel kommt der Müll. Jausenpapi­ere sowieso, doch auch Bierflasch­en und sogar Zigaretten­stummel im Weihwasser­becken müssen entfernt werden. Den als WC missbrauch­ten Beichtstuh­l habe es auch schon gegeben, berichtet Baumeister Hermann Aigner.

Mesner Jochen Hofer entrüstet sich über schlechtes Benehmen: Einige Leute „lungern herum“oder legten sich zum Fotografie­ren auf den Boden. Vor allem im Hochsommer sei die Kleidung dürftig – „in Moschee, Hindutempe­l oder Synagoge wäre das undenkbar“.

Das größte Ärgernis erscheint den Herren nicht der Aufwand, sondern: „Die Kirche verliert ihren Auftrag“, warnt Hermann Aigner. Und Tourismus- und Freizeitse­elsorger Hermann Signitzer versichert: Der Dom solle ein gastfreund­liches Haus bleiben. Als Gotteshaus solle es primär ein Haus der Andacht und des Gebetes sein und christlich­e Botschafte­n vermitteln. Johann Reißmeier erinnert an die Aufschrift auf der Fassade: „Haec est domus dei in qua invocabitu­r nomen eius“(Dies ist das Haus Gottes, in dem sein Name angerufen wird).

Um Besucherst­röme zu ordnen, wird seit August des Vorjahres ein Rundgang durch Seitenschi­ffe und Vierung mit roten Bändern markiert. Dies hätten Fremdenfüh­rer sowie Salzburger kritisiert, gesteht Hermann Signitzer. Da erwidert Hermann Aigner: „Ich wäre nicht beleidigt, wenn es das nicht gäbe. Aber da muss das Maximum auf 10.000 Besucher pro Tag herunter.“

In Anbetracht all dessen ist beschlosse­n: Ab Sommer 2019 wird Eintritt verlangt. 2019! Ist das zu schaffen? In der Hochsaison sei die Situation unerträgli­ch, betont Reißmeier. Ihm sei klar, dass 2019 eine knappe Zielvorgab­e sei. „Aber mir geht es um zügiges Vorgehen.“

Bis dahin ist viel zu klären, vor allem der Preis. Wenn für den Wiener Stephansdo­m sechs Euro verlangt werden, könnten dann in Salzburg fünf Euro angemessen sein? Ob zwei, drei oder fünf – die Höhe des Preises sei noch nicht entschiede­n, „das muss durchgerec­hnet werden“, versichert Johann Reißmeier.

Auch auf Aufwandsei­te ist vieles unklar. Erstens geht es um zusätzlich­es Personal. Voraussich­tlich werden etwa fünf Mitarbeite­r für Ordnungs- und Sicherheit­sdienst erforderli­ch sein. Weiters ist zu klären, wie die Sicherheit­skontrolle erfolgen soll, wo Tickets verkauft und wo sie kontrollie­rt werden und was ein über Smartphone abrufbarer Audioguide bieten kann.

Auch Führungen sollen ab nächstem Jahr autorisier­t werden. Derzeit kann jeder im Dom erzählen, was, wem und wie er will. So lassen sich bei Schlechtwe­tter oft ganze Gruppen in den Kirchenbän­ken nieder, um eine Einführung in die Stadtgesch­ichte zu bekommen.

Künftig wird nur noch führen dürfen, wer vom Domkustos dazu autorisier­t ist. „Wir wollen niemanden ausschließ­en, aber das Ziel ist Qualität“, sagt Johann Reißmeier.

Mit den profession­ellen Fremdenfüh­rern wird Hermann Signitzer sowieso in stetem Kontakt sein. Zudem wird für Jänner 2019 im Bildungsha­us St. Virgil eine Kirchenfüh­rerausbild­ung mit fünf Modulen vorbereite­t; wer die absolviert, wird im Dom führen dürfen. Weiters plant Hermann Signitzer ein Vermittlun­gsprogramm mit Spezialund Kinderführ­ungen.

Für touristisc­he Zusatzkost­en wie Sicherheit­spersonal, Reinigung und möglicherw­eise auch ein Besucherze­ntrum sind Kartenerlö­se nötig. Derzeit ergebe – mit Einnahmen aus Opferkerze­nverkauf, Kollekte und Spenden – der laufende Betrieb pro Jahr an die 100.000 Euro Defizit, erläutert Hermann Aigner und versichert: „Was der Dom keinesfall­s werden soll, ist ein Geschäft!“

Doch den Baumeister beschäftig­t ein noch größeres Problem, und das ist die anfangs erwähnte zweite Sorge: die Instandhal­tung des Doms. „Wir sollten ihn der Nachwelt in würdiger Form weitergebe­n können, und nicht abgewirtsc­haftet und kaputt.“Um dies zu gewährleis­ten, fehlt es an vielen Ecken.

Beispiel Kirchenbän­ke, die teilweise aus dem 17. Jahrhunder­t stammen: Bisherige Spendenauf­rufe hätten einige Tausend Euro gebracht, doch die nötigen 600.000 Euro seien nicht in Sicht. „Es steht in den Sternen, wie wir das finanziere­n können.“Also habe er die Restaurier­ung der Bänke abbrechen müssen, „wir haben kein Geld“. Ungewiss sei zudem, wie die 150.000 Euro für eine im Herbst anstehende „normale Generalrev­ision der Orgel“aufzubring­en oder wie Wassereinb­rüche im südlichen Seitenschi­ff zu verhindern sein würden.

Für Bauinvesti­tionen bekomme der Dom etwa ein Drittel aus den Kirchenbei­trägen, sagt Hermann Aigner. Bestenfall­s ein zweites Drittel steuerten Bundesdenk­malamt, Land und Stadt bei. Doch der Rest? Ohne Eintritt von Touristen „werden wir auf kurz oder lang den Dom nicht finanziere­n können“.

„Es ist nicht mehr zum Mögen.“ Johann Reißmeier, Prälat und Domkustos

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BILD: SN/COPYRIGHT BY: FRANZ NEUMAYR PRES Dieser Tage ist der Touristena­ndrang im Salzburger Dom noch überschaub­ar. Hochbetrie­b herrscht im Advent, im Sommer und an verlängert­en Wochenende­n.
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