Pflegende Angehörige fordern Geld und psychologische Hilfe
In Pensionistenheimen wird nur ein Bruchteil der Personen betreut, die Pflege brauchen. Damit weiter zu Hause betreut werden kann, müssen sich aber die Bedingungen verbessern.
WIEN. Der Großteil der Menschen, die in Österreich Pflege brauchen, wird zu Hause betreut, meist von Angehörigen. Und die fordern nun von der Politik eine deutliche Verbesserung ihrer Situation, finanziell und gesetzlich. Dies hatte auch schon der Vorarlberger LH Markus Wallner (ÖVP) vor Kurzem zum Thema gemacht. Er hatte darauf hingewiesen, dass es nicht sein könne, dass die an sich teure Heimpflege ohne Vermögenszugriff für die Betroffenen jetzt günstiger sei als die private Pflege zu Hause. Die Präsidentin der Interessengemeinschaft der pflegenden Angehörigen, Birgit MeinhardSchiebel, sagt, bei der Pflege zu Hause müsse oft auf das private Vermögen zurückgegriffen werden. Die Zahlen sprechen für sich. 84 von 100 Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut. Nur 31 Prozent von ihnen werden durch mobile Dienste unterstützt, fünf Prozent durch eine 24Stunden-Pflege. Gefordert wird vor allem auch psychologische Hilfe.
Der Chef der Volkshilfe, Erich Fenninger, weist auch darauf hin, dass es für pflegende Angehörige schwierig sei, sich einen Überblick über die angebotene Hilfe bei der Pflege zu verschaffen. Wäre dies transparenter, könnten sie massiv entlastet werden. In Österreich sind mehr als eine Millionen Menschen mit dem Thema Pflege konfrontiert, 453.000 Personen beziehen Pflegegeld.
Steigt nach dem Fall des Pflegeregresses mit 1. Jänner 2018 die Nachfrage nach Heimplätzen für Pflegebedürftige rasant an? „Wohl nicht, denn die meisten Menschen wollen zu Hause bleiben und dort gepflegt werden“, sagt Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin der Interessengemeinschaft (IG) der pflegenden Angehörigen. Mitten in der aktuellen Diskussion, ob Bund oder Länder den Entfall des Pflegeregresses finanziell ausgleichen müssen, tagte die IG am Dienstag in Wien. Grundtenor: Wenn von Angehörigen verlangt wird, dass sie sich um Pflegebedürftige in der Familie kümmern, dann braucht es bessere gesetzliche Grundlagen und finanzielle Anerkennung.
84 von 100 Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut, nur 31 Prozent von ihnen bekommen Unterstützung durch mobile Dienste und fünf Prozent haben eine 24Stunden-Pflege daheim. Rund 453.000 Menschen beziehen Pflegegeld. Insgesamt sind österreichweit mehr als eine Millionen Menschen – Pflegebedürftige und Pflegende eingerechnet – mit dem Thema konfrontiert.
Wie Krankheiten und Unfälle den Alltag umkrempeln können, weiß Konstantin Prager. Der 23-jährige Jus-Student ist als pflegendes Kind groß geworden. Erst half er mit, die demenzkranke Großmutter zu versorgen. Als er 13 Jahre alt war, hatte seine Mutter einen schweren Unfall – und saß von da an im Rollstuhl. Anfangs trug sein Vater die größte Last; langsam dreht sich die Situation und Konstantin Prager musste die meisten Arbeiten übernehmen. Sein Appell an die Regierung: „Wenn man von Privatpersonen verlangt, dass sie beinahe gratis arbeiten, dann muss die Unterstützung ausgebaut werden.“Der Student erklärte, dass der Generationenvertrag zwar besage, dass die Jungen die Pensionen der Alten bezahlten. „Im Kleingedruckten hab ich aber nirgendwo gelesen, dass wir neben einem 40-Stunden-Job und unseren Beziehungen auch noch die Eltern fast gratis pflegen müssen“, kritisierte der Wiener.
Ein Beispiel: Wenn jemand Pflegestufe 3 hat, bekommt der pflegende Angehörige 1200 Euro, um sich Unterstützung von Profis zu holen – im Jahr. Und das auch nur, wenn sein Einkommen nicht mehr als 2000 Euro netto beträgt.
„Es geht um Sicherheit für Betroffene und Angehörige“, sagte Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger. Als Ziel nannte er die Selbstbestimmung der Menschen und einen respektvollen Umgang in allen Lebenslagen. Er forderte Transparenz bei Betreuungsangeboten. Dies würde Angehörigen helfen, wenn sie vor der Situation stehen, Familienmitglieder zu pflegen. Für die 24-Stunden-Pflege forderte Fenninger ein Qualitätssiegel und eine Liste von vertrauenswürdigen, geprüften Agenturen, die Pflegerinnen und Betreuer vermitteln.
Apropos 24-Stunden-Pflege: Christa Koenne ist zum dritten Mal in der Situation, pflegen zu müssen. Vor 20 Jahren wurde ihre Mutter pflegebedürftig, vor acht Jahren der Ex-Mann und vor zwei Jahren ihr Ehemann. „Auch wenn Betreuerinnen unterstützen – das Emotionale ist oft schwierig. Man ist genervt, denn es ist auch Schwerarbeit“, sagte Koenne. Dazu sei Pflegearbeit körperlich herausfordernd: Nach einem Schlaganfall funktioniere Partnerschaft nämlich anders. „Wer noch nie mit körperlicher Pflege zu tun gehabt hat und noch nie jemanden gewaschen hat, den kann das überfordern.“
Birgit Meinhard-Schiebel von der IG der pflegenden Angehörigen geht davon aus, dass weit mehr als 700.000 Menschen in Österreich ihre Familienmitglieder betreuen. „Wir müssen daran arbeiten, dass Betreuung daheim bezahlbar ist und Menschen so lang wie möglich zu Hause bleiben können, wenn gewünscht.“