Werden wir fürs Beten zahlen müssen?
Der Kustos des Salzburger Doms ist auf Kritik und Protest gefasst. Denn er hegt für 2019 ein mutiges Vorhaben.
Gegen Protest-Mails, wütende Anrufe oder Beschimpfungen ist der Herr Prälat schon gefeit. Denn der Salzburger Domkustos Johann Reißmeier wagt sich an ein Vorhaben, das umstritten sein wird. Ab 2019 soll für die Besichtigung der Kathedrale Eintritt verlangt werden. Zudem wird Führungen nur noch machen dürfen, wer vom Prälaten autorisiert ist.
Dies wird drastische Änderungen bringen. Denn der Dom bietet keine Möglichkeit zum Kompromiss. Am Ende des Langhauses ist kein Gitter, bis zu dem der Zutritt kostenlos sein könnte. Es gibt keine gesonderten Kapellen, um sie für stille Andacht zu reservieren. Die großzügige, herrliche Offenheit des Doms ist sein kostbares Faszinosum. Doch im Massentourismus wird sie zum Problem: Wird Eintritt verlangt, muss dies für das gesamte Haus gelten.
Somit könnte der woanders bereits erlebte Protest gegen kirchliches Eintrittsgeld in Salzburg noch heftiger ausfallen. Darf man fürs Beten zahlen müssen? Kirchenbeitragszahler werden sich aufregen, dass sie für ihren jahrelang geleisteten Obolus wenigstens beten können müssen – immer und kostenlos!
Da haben die Beter und Beitragszahler recht. Noch kostbarer als architektonische Schönheit ist die Offenheit der Kirche, ausgedrückt im immer offenen Kirchentor. Der bedingungslose Zugang für alle steht für Freiheit und Gleichheit nicht bloß der Christen, sondern der Menschen. Dieses Gut zu beschränken tut weh. Doch tun wir es nicht, passiert zumindest im Salzburger Dom, was auf Seite 7 zu lesen ist: Jausenpapier, Zigarettenstummel im Weihwasser, Regenquartier für Stadtführungen. Wer Gebet und Gotteshaus achtet, dem tut das ebenso weh.
Dieses Dilemma erfordert eine Entscheidung. Abseits von Messen Eintritt zu verlangen ist aus vier Gründen richtig. Erstens weckt ein Preis das Bewusstsein für Wert. Zweitens schaffen die Einnahmen Arbeitsplätze und ermöglichen den Erhalt des Doms. Drittens hegt der Herr Prälat den guten Willen, kostenlos immer jene einzulassen, die ausdrücklich zum Beten kommen; zudem sind zumindest fünf andere eintrittsfreie Kirchen zu Fuß erreichbar.
Viertens lautet das aufmunternde Bibelwort nicht „Wenn einer allein und still vor dem Altar kniet, bin ich direkt bei ihm“, sondern „Wo zwei oder drei in meinem Namen …“. Für solche Gemeinsamkeit bietet der Dom täglich mehrmals Gelegenheit, wenngleich man sich dafür halt am Tagesrand hinbemühen muss. Derweil aber ist die Beterschar beispielsweise in der 7.20-Uhr-Messe noch sehr, sehr überschaubar.