Salzburger Nachrichten

„Lasst uns keine Schlafwand­ler sein“

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron warnte im Europaparl­ament vor Nationalis­mus und warb für seine Vision der Union.

- MONIKA GRAF

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron warnte im Europaparl­ament vor Nationalis­mus und warb für seine Vision der Europäisch­en Union.

„Frankreich ist wieder unter uns.“

Jean-Claude Juncker EU-Kommission­spräsident

STRASSBURG. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hielt am Dienstag im Europaparl­ament in Straßburg ein flammendes Plädoyer für die Verteidigu­ng der Demokratie. Die europäisch­e Demokratie sei unsere größte Chance. Die Abkehr von diesem Grundsatz sei „der schwerste Fehler“, den Europa begehen könne, sagte er im ziemlich vollen Plenarsaal. Nicht nur Geld oder ein Vertrag verbinde Europa, sondern „ein Zusammenge­hörigkeits­gefühl, eine Kultur“, betonte Macron und warnte vor „autoritäre­n Versuchung­en“und der tödlichen Illusion von Stärke, Nationalis­mus und der Einschränk­ung von Freiheiten.

Ohne die jüngsten Wahlsiege von Populisten und EU-Gegnern in Ungarn oder Tschechien zu nennen, sprach Macron von „Spaltung und manchmal Zweifel innerhalb Europas“und von einer größer werdenden Faszinatio­n des Illiberale­n. „Die Antwort ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie“, betonte er.

Er selbst gehöre einer Generation an, die den Krieg nicht gekannt habe und die dabei sei, sich den „Luxus zu leisten, zu vergessen, was die Vorfahren erlebt haben“. Er wolle aber nicht „einer Generation von Schlafwand­lern angehören“, die ihre eigene Geschichte vergesse und aktuelle Umbrüche nicht sehen wolle. Damit spielte Macron auf den Bestseller des Historiker­s Christophe­r Clark an, der beschreibt, wie Europa in den Ersten Weltkrieg schlittert­e. „Ich möchte einer Generation angehören, die sich ganz entschloss­en für die eigene Demokratie einsetzt, und dass das nicht zur Worthülse verkommt“, so Macron.

Der seit Längerem geplante Auftritt in Straßburg kam zu einer turbulente­n Zeit für Macron. Erst vor Tagen haben Frankreich, Großbritan­nien und die USA gemeinsam Chemiewaff­enanlagen in Syrien bombardier­t – ein Angriff, den Macron am Dienstag leidenscha­ftlich verteidigt­e. In seinem eigenen Land streiken die Beschäftig­ten der Staatsbahn gegen Einschnitt­e bei ihren Privilegie­n, Studenten protestier­en gegen strengere Zugangsbes­chränkunge­n an den französisc­hen Universitä­ten.

Auch für die EU sind es turbulente Zeiten. Weil nächstes Jahr die Europawahl ansteht, bleibt nicht viel Zeit, um Reformen noch in dieser Legislatur zu beschließe­n. Zugleich liegen viele Vorhaben seit Längerem auf Eis, nicht zuletzt, weil sich die Regierungs­bildung in Deutschlan­d verzögert hatte.

Am Donnerstag trifft Macron in Berlin mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel zusammen, die nun ebenfalls auf raschere Reformen drängt. „Bis Ende der Legislatur­periode 2019 müssen wir spürbare Ergebnisse einfahren“, forderte Macron. So müssten die schrittwei­se Reform der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion sowie der Kampf gegen Steuerund Sozialdump­ing vorangetri­eben und die „giftige Debatte“über den Umbau des Asylrechts gelöst werden. Macron plädiert ähnlich wie Merkel dafür, Gemeinden, die Flüchtling­e aufnehmen, finanziell besser zu unterstütz­en.

Seine eigentlich­en Vorstellun­gen vom Umbau der EU hat der französisc­he Staatschef im September vorigen Jahres in einer Rede an der Pariser Universitä­t Sorbonne dargelegt. Unter anderem schweben ihm die Installati­on eines europäisch­en Finanzmini­sters und ein eigenes Budget für die Eurozone vor. Beide Überlegung­en stoßen bisher in Berlin auf wenig Gegenliebe. Daneben hat Macron eine Innovation­sagentur angeregt, die die digitale Revolution vorantreib­en soll. Am Dienstag kündigte Macron zudem die Gründung Europäisch­er Universitä­ten an, die erste in Straßburg selbst.

„Frankreich ist wieder unter uns“, kommentier­te Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker am Dienstag Macrons Rede. Othmar Karas, ÖVP-Delegation­sleiter im Europaparl­ament, bezeichnet­e die Rede als „Weckruf an die Kleingeist­er, Bremser, Betonierer und Mutlosen in den Regierunge­n der Mitgliedss­taaten“. SPÖ-Delegation­sleiterin Evelyn Regner schätzte Macrons „proeuropäi­sche Worte“, er dürfe aber nicht vergessen, dass die Kombinatio­n aus wirtschaft­lichem Erfolg und sozialer Absicherun­g das europäisch­e Erfolgsmod­ell weltweit einzigarti­g mache.

 ??  ??
 ?? BILD: SN/AFP ?? Präsident Macron beschwört Europa: Die Demokratie stärken.
BILD: SN/AFP Präsident Macron beschwört Europa: Die Demokratie stärken.

Newspapers in German

Newspapers from Austria