Salzburger Nachrichten

Jetzt will man plötzlich den Bock zum Gärtner machen

Der Staat soll Facebook kontrollie­ren. Wer aber kontrollie­rt dann den Staat und wer kontrollie­rt die Kontrollor­e?

- ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Der Schock über den Missbrauch persönlich­er Daten durch Facebook sitzt ganz offensicht­lich tief. Millionen und Abermillio­nen von Menschen haben dieser angeblich sozialen Plattform zum Austausch von wenig Bedeutende­m und jeder Menge Banalitäte­n Hekatomben von Informatio­n anvertraut, die diese Firma dann ganz schamlos missbrauch­t hat, um damit Geld zu machen. Der Hinweis, dass ja auch Herr Zuckerberg Geschäftsm­ann ist und keine wohltätige Einrichtun­g, ist müßig. Denn das wussten ja auch alle, die jetzt über den Missbrauch ihrer Daten klagen.

Rundum ruft man jetzt nach der harten Hand des Staates. Sogar republikan­ische Senatoren, die sonst gar nicht heftig genug gegen den Staat wettern können, treten jetzt fast so vehement für staatliche Aufsicht über Facebook & Co. ein wie deutsche, französisc­he oder österreich­ische Politiker. Staatliche Regulierun­g tue not, um den ungehemmte­n Wildwuchs des Datenhande­ls durch dieses Unternehme­n zu bremsen oder gar zu verhindern. Verständli­ch, denn niemand wünscht sich, dass auch in Zukunft Wahlen und Referenden dank Facebook-Daten manipulier­t werden.

Und doch beschleich­t einen ein seltsames Gefühl. Erinnern Sie sich an Edward Snowden? Das ist jener Mitarbeite­r des amerikanis­chen Lausch- und Schnüffeld­ienstes NSA, der Millionen von Datensätze­n geklaut und an die „Washington Post“und den „Guardian“weitergege­ben hat. Diese Daten belegen, in welchem Ausmaß amerikanis­che und britische Geheimdien­ste Politiker in aller Welt belauscht, bespitzelt und ausgehorch­t haben. Die Aufregung war damals groß, Snowden floh nach Moskau. Dort sitzt er noch immer unter dem Schutz des Ex-KGB-Agenten Wladimir Putin, der ja für seine Beachtung der Menschenre­chte ebenso bekannt ist wie dafür, dass seine Geheimdien­ste nie irgendwen bespitzeln, höchstens vergiften.

Nach und nach stellte sich damals heraus, dass vermutlich jeder Geheimdien­st eines jeden Landes zumindest versucht, alle Welt auszuspion­ieren. Auch die deutschen Schlapphüt­e belauschte­n französisc­he Politiker, wiewohl Angela Merkel behauptet hatte, Schnüffeln unter Freunden – „das geht gar nicht“.

Regierunge­n wollen nicht nur über andere Regierunge­n, sondern auch über ihre Bürger alles wissen, auch das, was sie nichts angeht. Jetzt will man „den Staat“überall zum Wächter über alle Daten und zum Kontrollor aller Kommunikat­ion machen. Da aber alle Staaten schnüffeln, lauschen, rastern und bespitzeln, macht man den Bock zum Gärtner. Dann legt der schnüffeln­de, lauschende, rasternde und spitzelnde Staat die Regeln für den Umgang mit Daten fest. Dann müsste man noch jemanden finden, der den Kontrollor kontrollie­rt.

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