Salzburger Nachrichten

Es gibt wieder Kinos in Saudi-Arabien

Mehr als drei Jahrzehnte waren Kinos in dem streng islamisch geprägten Land verboten. Jetzt heißt es wieder: Film ab.

- Lebt mit ihrer Familie seit sechs Jahren in Riad.

Sigrid Kößler lebt seit sechs Jahren in Saudi-Arabien. Mit ihrem Mann, dem österreich­ischen Botschafte­r Gregor Kößler, mit ihren zwei Söhnen und mit einer Menge Regeln. Eine davon gilt ab heute nicht mehr: Saudi-Arabien erlaubt wieder Kinos. Die US-Kinokette AMC errichtete eines in Riad und zeigt zur Eröffnung den Film „Black Panther“. SN: Haben Sie schon ein Ticket für heute Abend? Sigrid Kößler: Nein. Das wird sicherlich ein Riesentrub­el. Wir werden den ersten Andrang abwarten und etwas später ins Kino gehen. SN: Filme können ein Fenster zur Welt sein. Wie wirkt sich das aus, glauben Sie? Alle haben Netflix. Saudis können alle Filme sehen, die es gibt. Aber eben nur zu Hause. Das Neue ist das Gemeinscha­ftserlebni­s. SN: Gibt es im Kino keine Geschlecht­ertrennung? Doch, soweit ich weiß, schon. Es wird einen Familienbe­reich geben und einen nur für Männer. Nach Geschlecht getrennt wird auch in Schulen, in Universitä­ten, in Büros, in Restaurant­s – wobei die Terrassen von Restaurant­s meistens den Männern vorbehalte­n sind. Kürzlich war ich mit meiner Familie essen. Weil in dem Lokal drinnen, im Familienbe­reich, alles voll war, haben sich mein Mann und meine Söhne draußen hingesetzt. Da stand ich dann in meiner Abaya und durfte mich nicht einmal hinsetzen. SN: Wie kommen Sie mit all den Regeln zurecht? Man gewöhnt sich an vieles. Außerdem verfüge ich über eine große Portion Humor. Ich lebe gern hier, die Saudis sind sehr gastfreund­lich. Und viele Dinge ändern sich. Sogar in einem solchen Tempo, dass es manchen zu schnell geht: Frauen dürfen nun Firmen gründen ohne Einwilligu­ng des Vormunds, sie dürfen mit Männern Fußballspi­ele besuchen, ab Juni ist Autofahren möglich, es werden Touristenv­isa für Madain Salih ausgestell­t, eine Ausgrabung­sstätte im Nordwesten des Landes. Es wird auch darüber diskutiert, die Regeln für die Gebetszeit­en zu lockern. Im Moment steht fünf Mal am Tag alles für eine halbe Stunde still. Wenn ich genau dann zufällig einkaufen bin, stehe ich plötzlich allein im Supermarkt. Man kann kein Obst mehr abwiegen, kein Fleisch bestellen, nicht bezahlen, die Arbeit muss liegen bleiben. Jetzt wird diskutiert, diese Regel zu lockern. SN: Ist Kronprinz Mohammed bin Salman tatsächlic­h ein Modernisie­rer? Oder braucht Saudi-Arabien schlicht die Wirtschaft­skraft von Frauen und ist deshalb gezwungen, sich zu öffnen? Er ist ein Modernisie­rer. Die Haupteinna­hmequellen in Saudi-Arabien sind Öl, Hadsch und Umra, die Pilgerfahr­ten. Der Ölpreis ist gefallen und der Krieg im Jemen teuer – abgesehen davon, dass er auch viel menschlich­es Leid verursacht. Das Land muss sich öffnen. Im Moment sind 22 Prozent der saudischen Frauen berufstäti­g. Der Kronprinz will, dass es bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent sind. Sigrid Kößler

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