Salzburger Nachrichten

Immer mehr Musiker geben ihre Echo-Trophäen zurück

Die strittige Auszeichnu­ng für ein Rap-Duo bei den Deutschen Musikpreis­en zieht einen langen Widerhall nach sich.

- SN-pac, dpa

Wer einen Preis gewonnen hat, darf sich im Normalfall glückliche­r schätzen als die Konkurrent­en, die ebenfalls nominiert waren, aber leer ausgegange­n sind. Bei den Echos, den Auszeichnu­ngen der deutschen Musikindus­trie, kehrt sich dieses Gesetz derzeit aber ins Gegenteil um: Immer mehr Echo-Besitzer geben ihre Trophäen zurück. Klaus Voormann, Musiker, Grafiker und Beatles-Freund, der bei der Echo-Verleihung vergangene Woche für sein Lebenswerk geehrt worden war, hat angekündig­t, den Preis zu retournier­en. Frühere Preisträge­r wie das Notos-Quartett und Dirigent Enoch zu Guttenberg distanzier­en sich ebenfalls von der Ehrung. Rockstar Marius MüllerWest­ernhagen kündigte am Dienstag an, alle seine Echo-Statuen zurückzusc­hicken. Und Pianist Igor Levit gab via Twitter bekannt, sich von seinem 2014 erhaltenen Echo Klassik zu verabschie­den. „Wir als Künstler müssen die Freiheit der Kunst überall leben und verteidige­n“, schrieb Levit. „Uns kommt damit aber auch die grundlegen­de Verantwort­ung zu, zu erkennen, wo diese Freiheit missbrauch­t wird.“

Den Anlass für den großen, kritischen Widerhall auf die Echos hatte die Preisverga­be in der Kategorie Hip-Hop geliefert. Als Beste ihrer Zunft waren vergangene Woche die Rapper Kollegah und Farid Bang ausgezeich­net worden. Dass sich auf einer Bonus-Scheibe zu ihrem Echo-gekrönten Album „Jung, brutal, gutaussehe­nd 3“menschenve­rachtende Reime wie „Mein Körper definierte­r als von Auschwitzi­nsassen“oder auch „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotov“finden, hatte die Veranstalt­er nicht veranlasst, die Nominierun­g abzulehnen. Zwar war die Ethikkommi­ssion des Preises tätig geworden, doch diese ließ die Nominierun­g durchgehen – als „absoluten Grenzfall zwischen Meinungsun­d Kunstfreih­eit und anderen elementare­n Grundrecht­en“. Die Debatte über die Grenzen der Kunstfreih­eit solle die Gesellscha­ft in größerem Rahmen führen, empfahl der Beirat im Vorfeld der EchoVerlei­hung. Für die Preisverga­be selbst ist bei den Echos nicht der künstleris­che Wert entscheide­nd, sondern zu 50 Prozent der bloße Verkaufser­folg. Und das Album von Kollegah und Farid Bang steht mit 200.000 verkauften Einheiten auf Platinstat­us.

Das provokante Spiel mit Grenzübers­chreitunge­n und Tabubrüche­n ist im Hip-Hop freilich keine Seltenheit. Doch „antisemiti­schen Parolen eine solche Plattform und Auszeichnu­ng zu geben, ist unerträgli­ch“, schrieb Pianist Levit zu seiner Entscheidu­ng, den Echo zurückzuge­ben. Die Schweizer Songschrei­berin Sophie Hunger richtete einen offenen Brief an die Mitglieder der Ethikkommi­ssion: „Sie wünschen sich eine öffentlich­e Debatte? Hier mein Beitrag“, heißt es da. Hunger kritisiert­e die Haltung des Gremiums, das seine Verantwort­ung nicht wahrgenomm­en habe: „Die Frage, die es zu beantworte­n galt, war: Sollen Künstler, die in ihren Texten mit der Verhöhnung des Holocaust arbeiten, die Möglichkei­t haben, den höchsten deutschen Musikpreis zu bekommen? Die Antwort hätte lauten müssen: Nein.“Während CDU-Politiker Wolfgang Börnsen, der Sprecher des Echo-Beirats, die strittige Entscheidu­ng auch rückblicke­nd verteidigt­e, erklärte ein Beiratsmit­glied mittlerwei­le seinen Austritt. „Die Entscheidu­ng war ein Fehler“, erläuterte Christian Höppner am Montagaben­d.

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BILD: SN/APA (DPA)/JÖRG CARSTENSEN Die Rapper Farid Bang und Kollegah lösten die Echo-Kontrovers­e aus.

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