Von der Vielfalt lebt das Bier
Der neue Chef von Österreichs größtem Braukonzern will den Kunden mehr Abwechslung bieten. Bei der Digitalisierung sieht er Grenzen.
Magne Setnes (47) übernahm Ende des Vorjahres seinen zweiten Job bei der Brau Union. Als neuer Chef folgte der dreifache Familienvater dem langjährigen Generaldirektor Markus Liebl (63), der in den Aufsichtsrat wechselte. Setnes arbeitete viele Jahre für den Mutterkonzern Heineken in den Niederlanden. Die Brau Union steht mit Marken wie Gösser, Zipfer und Puntigamer für die Hälfte des heimischen Biermarktes und setzt mit 2400 Mitarbeitern mehr als 700 Millionen Euro im Jahr um.
SN: Sie haben für die Brau Union gearbeitet, waren dann in Amsterdam und jetzt wieder in Österreich – wie hat sich die Bierkultur verändert? Magne Setnes: Ich war 2011 bis 2015 Produktionschef der Brauereien in Österreich. Die Vielfalt ist deutlich gestiegen. Auch im eigenen Haus spüren wir das. Das Interesse wächst für Craft Beer, aber dadurch auch für regionales Bier insgesamt. SN: Sehen Sie das auch als Chance für einen großen Tanker? Wir sind nicht der große Tanker, sondern wir haben viele kleine Schiffe. Natürlich ist der Trend eine Chance für uns. Viele sagen vielleicht, sie gehen nicht zu einem extremen IPA (India Pale Ale, eine meist fruchtbetonte Biersorte, Anm.), aber wenn es ein IPA von Zipfer gibt, dann trauen sie sich, das zu probieren. Wir sehen uns da als Türöffner.
SN: Sie wollen also mehr Vielfalt? Wir müssen die Vielfalt behalten und überlegen, wie wir Abwechslung bieten können. Regale sind nicht unbegrenzt verfügbar. Nicht alles funktioniert und muss zehn Jahre am Markt bleiben.
SN: Ist der Handel bereit dazu? Ich glaube: ja. Die wünschen sich neue Produkte für die Konsumenten und kämpfen auch mit Platz. In anderen Ländern sieht man auch Saison-Biere. Wir setzen auf schnelleren Wechsel.
SN: Ist die Gastronomie Vorbild? Das ist nicht so einfach zu vergleichen. Im Handel ist der Vorteil, dass der Konsument an einer Adresse ganz viel sehen kann. In der Gastro hat man den Vorteil, dass man mehr Zeit hat, über das Produkt zu reden, und auch eine etwas breitere Erlebniswelt um die Produkte schaffen kann. Es gibt schon Wirte mit dem Konzept eines Wechselhahns, bei dem es immer wieder neue Biere gibt. Zum Beispiel ermöglicht unsere neue Theken-Schankanlage „Blade“mit Acht-Liter-Gebinde diese wechselnden Spezialitäten. Da kann der Wirt etwas probieren.
SN: Wie kommt das an? Wir haben im Herbst 2017 angefangen und in den ersten drei Monaten 1200 bis 1300 Anlagen verkauft. Es ist einfach, man braucht nicht viele Installationen, das ist „plug and play“. Für kleine Wirte, die eigentlich nur Flaschen verkaufen, ist das auch eine Möglichkeit für ein Upgrade. Die Thekenschank wird jetzt in 20 Ländern in Europa angeboten, das hat ein globales Potenzial.
SN: Wie sehen Sie Österreichs Rolle im Heineken-Konzern? Österreich hat ein sehr hohes Standing. Wir haben es geschafft, ein tolles Portfolio zu entwickeln und eine gute Bierkultur. Das hilft, den Konsum stabil zu halten. Das ist ein Musterbeispiel, wie man mit Regionalität eine starke, stabile Position bekommen kann. Bei der Technik stehen wir im Konzern an der Spitze. Wir wurden ja intern verglichen – weltweit sind das rund 180 Brauereien. Die Brau Union hat eine hohe Innovationskraft, andere lernen dadurch. Ein Beispiel dafür ist Zipfer Hops (alkoholfreie Limo, Anm.)
SN: Bei der Technik spielt Wieselburg als Kompetenzzentrum eine große Rolle, was wird dort gemacht? Wir haben in Wieselburg verschiedenste neue Systeme gemacht, etwa den Beer-Tender (ein kleines Fass für Private, Anm.). Die neuen alkoholfreien Biere sind von sehr hoher Qualität. Daher haben wir gesagt, da müssen wir investieren. Die Entalkoholisierung wird dort gemacht. Die neuen, in Österreich entwickelten Verfahren haben dazu geführt, dass die Konzernleitung in Holland gesagt hat, es wird Zeit für ein alkoholfreies Heineken. Die Einführung von Heineken 0,0 wurde mit Bier aus Österreich gemacht. In vielen Brauereien in Europa werden jetzt solche Entalkoholisierungsanlagen gebaut. In der Zwischenzeit bekommen sie Bier aus Wieselburg, jetzt ist Polen im Anlaufen. Es hat mich sehr gefreut, dass wir Bier nach Holland geschickt haben (lacht).
SN: Hält der Trend zu weniger Alkohol an? Alkoholfrei und alkoholreduziert sind wichtige Trends, das haben wir schon bei Radler gesehen. Derzeit flacht das in Österreich ein bisschen ab, aber ich bin überzeugt, dass das in den nächsten Jahren weiter wachsen wird – auch in Österreich. Bei der Brau Union produzieren wir rund 14 Prozent des Biers ohne oder mit weniger Alkohol. Der Gösser Naturradler funktioniert auch im Export in Deutschland.
SN: Export – ein gutes Stichwort. Unser Hauptgeschäft bleibt natürlich in Österreich. Wir sehen aber Wachstumsmöglichkeiten. Österreich hat einen guten Namen als schönes Land mit sauberer Natur. In Deutschland läuft es sehr gut, in Russland gehen Gösser und Edelweiss. Leute, die zu Hause keine Alpen haben, kaufen sich ein gutes Gefühl und haben ein gutes Bier. Wir verkaufen Edelweiss zunehmend auch nach Asien – Südkorea und China. Das ist toll.
SN: Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger Markus Liebl? Es ist nicht mein Ziel, ihn zu kopieren. Man muss ein Unternehmen persönlich führen. Wir kennen einander sehr gut. Eine sehr große Änderung kann man sich nicht erwarten. In der Digitalisierung und der Erneuerung von Prozessen möchte ich mehr tun. Wir schauen uns auch die Markenportfolios an, wie setzen wir Kommunikationsmittel und Budget ein. Wir brauchen etwas mehr Geschwindigkeit.
SN: Meinen Sie mit Digitalisierung die Online-Bestellung für Gastronomen statt des Anrufs aus dem Vertrieb? Es ist wichtig, beides gut weiterzuentwickeln. Man kann nicht erwarten, dass Kunden von einem Tag auf den anderen alles anders machen. Eine wachsende Gruppe hat Interesse an einem digitalen Portal, um ihre Dinge zu erledigen, wann sie wollen. Früher haben wir unsere TV-Werbung in das Internet gestellt. In der digitalen Welt hat man keine Zeit für 90-Sekunden-Filme; man kann den Ton auch oft nicht hören, wenn man sich im Bus oder Zug schnell was anschaut.
SN: Wie weit geht das? Wir haben viele bestehende Anlagen und Gebinde. Das zu erneuern ist sehr teuer. Es gibt Pilotprojekte. Man kann von anderen lernen und muss sein eigenes Tempo gehen. Wir werden den Verkauf nicht in drei Jahren voll digitalisieren.
SN: Sie sprechen auch von der digitalen Bar, gibt es da noch einen Barkeeper? Den Barkeeper gibt es noch immer – aber da wird alles gemessen, man weiß Temperatur, Hygiene, die Menge und wann im Laufe des Tages was verkauft wird. Vor einigen Jahren haben wir erste Versuche gemacht. Wir hatten in einem Land in 20 Bars Messgeräte installiert. Die Daten zeigten, dass am Sonntag das meiste Bier verkauft wurde. Das konnte nicht sein. Was war? Samstag nach Mitternacht hat man auf Sonntag gebucht, da hatte man die falsche Brille auf. Es genügt eben nicht, nur die Daten zu haben, man muss auch das Geschäft gut kennen, die Branche und Anlässe für Konsumenten. Wir sind noch am Anfang der Digitalisierung.