Statt teurer Spiele hatten wir Fantasie
Ich bin Jahrgang 1940 und bin in Schwanenstadt an der Bundesstraße 1 aufgewachsen. Nach dem Krieg waren die Amerikaner Besatzungsmacht in Oberösterreich und wir Kinder haben die GIs nur von ihrer besten Seite kennengelernt. Wenn sie mit ihren Lkw und Jeeps durch unsere Stadt fuhren, warfen sie uns großzügig Schokoladetafeln zu. So wurde auch mein erster Satz in englischer Sprache „Please, give me chocolate“. Schokolade war damals für uns etwas Besonderes und ich werde die rostroten Täfelchen nie vergessen, genauso wenig wie den gelben Cheddarkäse, den wir mit den Care-Paketen von den Amerikanern bekamen. Wenn so ein Care-Paket ankam, war dies für uns Kinder immer wie Weihnachten. Wenn wir heute erzählen, dass wir nach dem Krieg keinen Ball, keine Puppe, keine Bananen oder Orangen kannten, so erwecken wir bei der heutigen Jugend ungläubiges Zweifeln. Adventkalender, die einem heute fast nachgeworfen werden, musste man sich allenfalls selbst anfertigen. Ich denke immer noch an den Adventkalender, den meine Mut- ter, völlig unbegabt im Zeichnen, dennoch liebevoll für uns Kinder bastelte. Wir hatten nicht viel, umso größer war die Freude, wenn es etwas nicht Alltägliches gab.
Wir waren drei Geschwister und zur Jause gab es Brote mit Käseaufstrich aus einem „Eckerl“Käse für uns alle. Wir Kinder sammelten am Güterbahnhof Zuckerrüben, die beim Verladen auf dem Boden liegen geblieben waren. Die Mutter machte Sirup daraus, Zucker war ja rar. Zur Erntezeit sammelten wir auf den Feldern Weizenähren, die beim „Mandlmachen“übrig geblieben waren. Die Mutter brachte sie in die Mühle und wir bekamen Mehl dafür. Aus den Weizenkörnern machten wir uns „Kaugummi“, indem wir sie so lange kauten, bis eine Art Gummi entstand.
Jeden Abend lief ich mit der Milchkanne zum Bauern um Magermilch und beeilte mich, rasch wieder nach Hause zu kommen, damit der Schaum, der sich beim Melken und Zentrifugieren gebildet hatte, nicht zusammenfiel, denn dieser Schaum mit etwas Zucker war für uns Kinder eine Köstlichkeit. Gelegentlich gab es von der Bäuerin ein Stück Bauernbrot, hart, grau, mit dicker Rinde – wunderbar! Auch diesen Geruch und Geschmack werde ich nie vergessen. Trotz aller Entbehrungen hatten wir eine schöne Kindheit. Statt teurer Spiele ge- brauchten wir unsere Fantasie und uns war nie langweilig. Manchmal denke ich, wir hatten es besser. Hannelore Stelzhammer 5230 Mattighofen