Neue Tests bremsen Autokäufer aus
Abgaswerte von Autos müssen neu geprüft werden. Für Autohändler und ihre Kunden bedeutet das, dass Modelle vom Markt genommen werden und es ungewisse Wartezeiten gibt.
Abgaswerte von Autos müssen neu geprüft werden. Für Händler und Kunden heißt das: Modelle werden vom Markt genommen und es gibt beim Kauf ungewisse Wartezeiten.
SALZBURG. WLTP, NEFZ, RDE. Für den Kunden Hannes A. waren diese Buchstabenkombinationen bis vor Kurzem ein Rätsel. Jetzt weiß er, dass die Abkürzungen für Abgastests stehen und er wegen dieser nicht jenes Auto bekommt, das er kaufen möchte. „Nicht lieferbar“, sagt sein Händler. Hannes A. könnte das gleiche Modell mit stärkerer Motorisierung bekommen, müsste aber binnen weniger Tage den Kaufvertrag unterzeichnen, damit sich die Lieferung und Zulassung noch bis September ausgeht. Für andere Modelle nach seinen Wünschen heißt es: bitte warten. Wie lange? Das weiß man nicht.
Nach dem Beratungsgespräch schwirrt dem willigen Autokäufer der Kopf. Das Gleiche gilt für die Autohändler. Hinter vorgehaltener Hand sprechen sie vom täglichen Chaos im Verkaufsraum, der Beratungsaufwand sei enorm, die Ratlosigkeit auch, erzählt ein Händler. Nicht zuletzt der Frust.
Zum Hintergrund: Um für Verbraucher realitätsnähere Verbrauchsangaben als bisher zu liefern, wurde ein neues Testverfahren namens WLTP, das steht für „Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Procedure“, entwickelt. Ab September 2018 müssen in Europa für alle neu zugelassenen Pkw und leichte Nutzfahrzeugmodelle im WLTP gemessene Abgas- und Verbrauchswerte vorliegen. Damit wird der bisherige Prüfzyklus NEFZ abgelöst. Im Vergleich zum NEFZ dauert der WLTP, ebenfalls am Rollenprüfstand, zehn Minuten länger, und die gesamte Zykluslänge ist mit 23,5 Kilometern mehr als doppelt so lang. Das Fahrverhalten des Endverbrauchers lässt sich besser abbilden. Zudem liegen höhere Geschwindigkeiten und dynamischere Fahrprofile näher am tatsächlichen Fahrverhalten. Zum WLTP kommt ein Realtest auf der Straße hinzu (RDE – Real Driving Emissions), der dafür sorgen soll, dass die Grenzwerte für Stickoxide und Partikelanzahl eingehalten werden. Dieses komplexe Gebilde bringt die Autohersteller gehörig ins Schleudern.
Denn die neuen Prüfzyklen bedeuten eine enorme Umstellung, um Vorgaben zu erfüllen. Immerhin ist ein Fahrzeugtyp, der die EU-Vorschriften nicht einhält, nicht zulassungsfähig. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Hersteller einzelne Varianten aus dem Programm nehmen. Beim ÖAMTC stellt Techniker Thomas Stix in den Raum, dass vor allem bisher weniger gut verkaufbare Modelle verschwinden könnten, weil die Umrüstung in keinem Verhältnis zum Ertrag stünde. Das Problem dabei ist: Händler wie Kunden wissen derzeit wenig bis nichts.
Volkswagen betont, dass die kurze Zeitspanne vom Erlass des entsprechenden Gesetzes Ende Juli 2017 bis zur WLTP-Einführung im September die gesamte Automobilbranche vor große Herausforderungen stelle. Die Marke Volkswagen verfüge zudem über eine besonders große Vielfalt an Modellen und Motor-Getriebe-Varianten und stehe deshalb vor besonderen Herausforderungen. Volkswagen habe daher in allen beteiligten Fachbereichen größtmögliche Kapazitäten bereitgestellt, um die Verfügbarkeit des Modellangebots so weit wie möglich sicherzustellen. „Dennoch werden einige Motor-Getriebe-Varianten vorübergehend nicht verfügbar sein. Derzeit werden verschiedene Maßnahmen erarbeitet, um die möglichen Auswirkungen auf Bestellbarkeit und Auslieferung von nach neuen Vorgaben typgeprüften Fahrzeugen auf ein Minimum zu reduzieren.“Ein Problem sei auch, dass es zu wenige Rollenprüfstände gebe. Die Tests müssen von unabhängigen Technischen Diensten durchgeführt werden.
Bei BMW rüstet man wegen WLTP alle ab Juli für die EU-Märkte produzierten Fahrzeuge mit Benzinmotor serienmäßig mit einem Ottopartikelfilter aus. „Bei manchen Modellen führt dies zu planmäßigen Angebotsunterbrechungen in den EU-Märkten“, heißt es.
Auch bei Daimler arbeitet man mit Hochdruck am Thema und „erwartet durch die Umstellung auf WLTP keine signifikanten Produktionsausfälle“.
Experten gehen davon aus, dass der im WLTP neu gemessene Verbrauch von Autos auf dem Papier um durchschnittlich 20 Prozent höher liegt als im bisherigen NEFZ. Da der CO2-Ausstoß in Österreich Basis für die Berechnung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) ist, hat das Relevanz. Das Finanzministerium hat zugesichert, bis Ende 2019 diese nach dem alten Messzyklus zu berechnen. Doch ab 2020 kommt die Besteuerung auf Basis der neuen Testkriterien. Gespräche über die Zeit danach laufen.
Bis Ende 2019 werden also die neuen Messdaten mittels eines Tools rückgerechnet. Die Toleranzgrenze von plus/minus zwei Prozent wird aber in manchen Fällen überschritten, und so könnte die NoVA für manche Autos bereits ab September stärker ins Geld gehen. Um bis zu ein Prozent, sagt Richard Mieling, Sprecher der Porsche Holding Salzburg. „Aber wenn der Kunde heute unterschreibt und das Fahrzeug erst nach dem 1. September bekommt, geben wir eine Preisgarantie ab.“
Und was soll der Kunde tun? Wer flexibel ist und nimmt, was da ist, kann bis Ende August Schnäppchen machen. Der ÖAMTC rät jedoch mit Verweis auf mögliche Fahrverbote für Diesel in Deutschland, nur mehr Diesel der Emissionsstufe Euro 6d-TEMP zu kaufen.