Salzburger Nachrichten

Türkischem Verein droht Ende

Nach der Kritik an Kriegsspie­len von Kindern in einer Wiener Moschee prüfen die Behörden die Auflösung des größten türkischen Vereins in Österreich.

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WIEN. Die Fotos von Buben in Militäruni­form, die in einer Moschee des austrotürk­ischen Vereins ATIB eine Schlacht aus dem Ersten Weltkrieg nachstellt­en, könnten nun das Ende des Vereins bedeuten.

„Das hat in Österreich keinen Platz. Hier wird es null Toleranz geben“, sagte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP). Auch Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprach von „völlig untragbare­n“Vorfällen. „Kultusamt und Innenminis­terium werden hier geschlosse­n vorgehen. Die rechtliche­n Möglichkei­ten reichen bis hin zur Auflösung der jeweiligen Moschee oder des Vereins“, erklärte Kurz.

ATIB, die „Türkisch Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenar­beit in Österreich“, ist seit 1991 als Verein eingetrage­n, Vorfeldorg­anisatione­n waren bereits in den späten 1980er-Jahren in Österreich aktiv. Der Dachverban­d von über 60 eigenständ­igen türkischen Vereinen hat laut eigenen Angaben etwa 100.000 Mitglieder.

Der Verein war bis ins Vorjahr, wie sein Gegenüber in Deutschlan­d namens DITIB, ganz offiziell von der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet abhängig und unterstand der türkischen Botschaft in Wien. Kritiker sahen in ATIB einen verlängert­en Arm des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdoğan. Über den türkischen Kulturvere­in sollen auch Erdoğan-Gegner in Österreich bespitzelt worden sein.

Aufgrund des 2015 erlassenen Islamgeset­zes musste ATIB seine Statuten ändern und kündigte eine Neuorganis­ation an. Tatsächlic­h sitzt seither kein Botschafts­angehörige­r mehr im Vorstand. Doch Beobachter des Verein trauen den Verantwort­lichen nicht. „Auf der offizielle­n Ebene wurden die Verbindung­en zur Türkei abgebroche­n“, erklärt der Historiker Heiko Heinisch. Heinisch veröffentl­ichte vor Kurzem eine vom Integratio­nsfonds beauftragt­e Studie zur Rolle der Moscheen im Integratio­nsprozess. „Auch die Imame werden offiziell nicht mehr aus der Türkei bezahlt“, sagt Heinisch. ATIB sei aber weiterhin inhaltlich stark an die ErdoğanReg­ierung gebunden. „Die jetzt bekannt gewordene Veranstalt­ung war nicht die erste dieser Art.“Bilder aus den Jahren 2014 und 2016, die den SN vorliegen, zeigen, dass in der ATIB-Moschee im 20. Wiener Gemeindebe­zirk Kinder in Uniform schon früher Schlachten nachstelle­n und exerzieren mussten. Die Aufregung um die aktuellen Bilder vom 18. März versteht man beim Verein ATIB. Trotzdem fühlt man sich ungerecht behandelt: „Die Sache war grundsätzl­ich falsch und als ich von dieser Veranstalt­ung erfahren habe, haben wir die Verantwort­lichen gebeten, das abzubreche­n. Der Verantwort­liche ist auch nicht mehr im Vorstand der Moschee. Aber das war nicht in den Medien“, sagt ATIBSprech­er Yasar Ersoy den SN.

Eine mögliche Auflösung des Vereins will er nicht kommentier­en, man wolle erst die nächsten Schritte des Innenminis­teriums und des Kultusamts im Bundeskanz­leramt abwarten. Nur so viel: „Hier muss man sehr vorsichtig sein, es wäre schade um die Vereinsarb­eit.“

Geprüft werden laut Kanzleramt ein möglicher Verstoß gegen positive Einstellun­g zu Gesellscha­ft und Staat, eine Behinderun­g der Entwicklun­g der Kinder und Finanzieru­ng aus dem Ausland. All das ist im Islamgeset­z geregelt. Zudem gibt es Ermittlung­en und Vernehmung­en von Verantwort­lichen der ATIB.

Daraus soll eine Sachverhal­tsdarstell­ung entstehen, um weitere Schritte gegen den Verein einzuleite­n. Am Ende könnte auch eine Auflösung des Vereins stehen, heißt es im Bundeskanz­leramt. Es sei gut, dass das Kultusamt seit der neuen Regierung personalmä­ßig verdoppelt worden sei.

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BILD: SN/FACEBOOK/SCREENSHOT Ein Bursch in Uniform salutiert in der Wiener ATIB-Moschee vor der türkischen Fahne.

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