Salzburger Nachrichten

Umweltvere­ine dürfen wegen Abgas klagen

Das Land Salzburg ließ eine Umweltorga­nisation abblitzen, die strengere Verkehrsbe­schränkung­en forderte. Für Höchstrich­ter war das rechtswidr­ig.

- Klimaschut­z

Wenige Tage vor der Landtagswa­hl bleibt das flexible Tempolimit von 80 bzw. 100 km/h auf der Westautoba­hn im Salzburger Stadtgebie­t einer der größten Aufreger. Seit sich Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Wochenende für eine Evaluierun­g der 2015 eingeführt­en Maßnahme ausgesproc­hen hat, scheinen die Tage des bei vielen verhassten Luft-Achtzigers gezählt. Die FPÖ und die FPS von Karl Schnell fordern ohnehin die Abschaffun­g, nur Grünen-Chefin Astrid Rössler steht dazu. Sie weist stets darauf hin, dass ein Tempolimit das gelindeste Mittel sei, um die zu hohen Stickoxidw­erte für rund 3000 Anrainer zu senken. Die Entlastung entspreche einer dreiwöchig­en Sperre der Autobahn im Jahr. Ansonsten müsse man andere Maßnahmen setzen, um eine seit 2012 drohende Klage der EU zu vermeiden.

Vor diesem Hintergrun­d ließ der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) kürzlich eine juristisch­e Bombe platzen. Die Höchstrich­ter gaben dem Ökobüro – einer Dachorgani­sation von 16 namhaften Umweltorga­nisationen wie Greenpeace, Global 2000, WWF, dem Naturschut­zbund bis zum Verkehrscl­ub Österreich – in einer Auseinande­rsetzung mit dem Land Salzburg recht.

Das Urteil des VwGH besagt, dass es rechtswidr­ig war, einen Antrag des Ökobüros einfach abzuweisen. Die Allianz der Umweltbewe­gung hatte im April 2014 – also als der Luft-80er noch bevorstand – beim Amt der Landesregi­erung beantragt, dass „geeignete Maßnahmen zur schnellstm­öglichen Einhaltung der Immissions­grenzwerte für NO2 (Stickstoff­dioxid, Anm.) im Bundesland Salzburg“erlassen werden. Insbesonde­re sei dies für die Messstelle­n Rudolfspla­tz in Salzburg, an der B159 in Hallein sowie an der Tauernauto­bahn in Hallein notwendig. Konkret in Betracht zu ziehen seien etwa Tempolimit­s, Fahrbeschr­änkungen oder Umweltzone­n, schlug das Ökobüro vor.

Zwar räumte auch die Behörde ein, dass „die Luftschads­toffGrenzw­erte aktuell nicht eingehalte­n werden können und dieser Zustand auch für die nächsten Jahre erwartbar bleiben“werde. Das Land ließ die Umweltorga­nisation dennoch abblitzen. Es gebe keinen Rechtsansp­ruch für die Antragstel­lerin auf die Umsetzung bestimmter Maßnahmen. Es liege in der Verantwort­ung der Behörde, nach den Grundsätze­n des europäisch­en und österreich­ischen Rechts zu entscheide­n.

Gegen den ablehnende­n Bescheid des Landeshaup­tmanns vom 30. März 2015 (als gerade der Luft-80er probeweise eingeführt war) zog das Ökobüro vor das Landesverw­altungsger­icht. Dieses wies die Beschwerde ab und ließ keine ordentlich­e Revision beim Verwaltung­sgerichtsh­of zu. Doch das Ökobüro gab nicht auf, dessen Anwälte brachten eine außerorden­tliche Revision ein.

Das Höchstgeri­cht kam in seinem 29 Seiten umfassende­n Urteil zum Schluss: Der Antrag auf Verkehrsbe­schränkung­en war zulässig. Dass dem Ökobüro die Legitimati­on dafür abgesproch­en worden sei, beurteilte das Höchstgeri­cht als rechtswidr­ig. Die Richter stellten fest, das Ökobüro habe eine Unterlassu­ng der Behörde aufgezeigt. Der Europäisch­e Gerichtsho­f habe wiederholt ausgeführt, dass die EULuftrein­haltericht­linie aus 2008 einen „zwingenden Charakter“habe. Daher – noch dazu, wenn die Grenzwerte überschrit­ten seien – seien anerkannte Umweltorga­nisationen grundsätzl­ich berechtigt, von den Behörden Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bürger zu verlangen.

Das Match rund um den Luft80er ist also noch lang nicht beendet, es geht erst richtig los.

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BILD: SN/R. RATZER Der sogenannte Luft-80er ist seit Jahren ein Aufreger.

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