Salzburger Nachrichten

Es ist das alte Lied. Campino hat es satt.

- Gudrun Doringer GUDRUN.DORINGER@SN.AT

Fällt das noch jemandem auf oder haben sich die meisten daran gewöhnt, dass offener, gewaltbere­iter Antisemiti­smus zum täglichen Hintergrun­dgeräusch unseres Lebens geworden ist?

Bei der Echo-Verleihung vergangene Woche wurden die Rapper Kollegah und Farid Bang für ein Album gewürdigt, in dem Textzeilen vorkommen wie „Mein Körper definierte­r als von Auschwitz-Insassen“oder „Mache wieder mal nen Holocaust, komm an mit nem Molotow“. Einzig Campino von den Toten Hosen hielt es an dem Gala-Abend für notwendig, eine Protestnot­e anzubringe­n. Sichtlich nervös, wahrschein­lich weil er mit seiner Kritik allein dastand. Jetzt geben reihenweis­e Kollegen ihre Preise zurück.

Eine Woche später wagt ein junger Israeli in Berlin ein Experiment. Ein Freund habe ihn gewarnt, man sei in Deutschlan­d nicht sicher, wenn man Kippa trage. Das habe er nicht geglaubt. Er habe zeigen wollen, dass es nicht gefährlich sei. Er irrte: Drei Männer beleidigte­n ihn, einer schlug mit einem Gürtel auf ihn ein und rief dabei auf Arabisch: „Du bist ein jüdischer Bastard.“

Es reicht! Öffentlich­e Angriffe auf Juden und die Verhöhnung von Holocaust-Opfern stehen in einer mörderisch­en Tradition, die heute wieder ernst gemeint ist. Das rührt zum Teil daher, dass die Auschwitz-Fantasien von zwei Rappern fälschlich­erweise unter Meinungsfr­eiheit subsumiert werden. Oder daher, dass Zuwanderer, die mit antisemiti­schen Parolen groß geworden sind, ihren Hass mitbringen, der sich übrigens weniger gegen Juden als gegen Israels Politik richtet. Das allein wäre allerdings zu kurz gegriffen: Antisemiti­smus ist ein gesamtgese­llschaftli­ches Problem, das zweifelsoh­ne auch ohne Flüchtling­e besteht.

Nun kann man sich „der Situation entziehen und zu Hause bleiben“, wie Campino bei der Echo-Verleihung sagte. „Dann hat man den geringsten Ärger. Wer aber aufhört zu diskutiere­n, überlässt das Feld den anderen. Dass wir diese Debatte führen, ist wichtig.“Dem ist nichts hinzuzufüg­en.

Außer: Campino rockt. Aber das wussten wir vorher schon.

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