Salzburger Nachrichten

Zentralist­en wollen die Landtage abschaffen

Salzburg wählt am Sonntag ein neues Regionalpa­rlament. Ist das überhaupt noch zeitgemäß?

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Länder sollen selbst Steuern einheben

Damit kein Irrtum aufkommt: Die 390.000 wahlberech­tigten Salzburger­innen und Salzburger entscheide­n am Sonntag nur indirekt darüber, wie die Landesregi­erung der Zukunft aussieht. In erster Linie geht es um die Zusammense­tzung des Landtages in den kommenden fünf Jahren. Und obwohl auf Tausenden Plakaten nur die Spitzenkan­didaten zu sehen sind: Wer Landeshaup­tmann wird, das bestimmen nicht die Wähler direkt, sondern die 36 Abgeordnet­en zum Salzburger Landtag.

Nicht nur deshalb kommt dem Gremium große Bedeutung zu. Es wird von Zentralist­en gern belächelt und als provinziel­le Quatschbud­e abgetan, die sich um das Fischereir­echt und die Normierung von Ziegelstei­nen kümmert. In Wahrheit ist der Landtag einer der letzten Garanten für gelebten Föderalism­us in Österreich. Die Abgeordnet­en sind das regionale Bindeglied zwischen den wenigen da oben und den vielen da unten. Es gibt hier noch Nähe zwischen Bürgern und Politik.

Mit dem Beitritt Österreich­s zur Europäisch­en Union im Jahr 1995 ist eine vierte Ebene zum bis dahin bestehende­n politische­n System (Gemeinden, Länder, Bund) hinzugekom­men. Zentralist­isch orientiert­e Experten vertreten seither die Theorie, dass man die Ländereben­e im Sinne der staatspoli­tischen Effizienz einsparen könnte. Sie kritisiere­n hohen Verwaltung­saufwand und viele Mehrgleisi­gkeiten. Tatsächlic­h liefern die österreich­ischen Bundesländ­er durch unterschie­dliche Gesetze zu ein und den- selben Materien föderalist­ischen Sprengstof­f. Neun unterschie­dliche Jagdgesetz­e oder Bauordnung­en sind tatsächlic­h zu viel. Dass in einem Land Whirlpools im Freien für Beherbergu­ngsbetrieb­e gestattet sind, im anderen nicht, versteht auch kein Mensch. Man könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen. In einer Zeit grenzübers­chreitende­r Lebensinte­ressen ist es für viele Menschen Unsinn, dass in einem Bundesland die Ziegel für Häuslbauer so beschaffen sein müssen und im anderen wieder anders. Da besteht Harmonisie­rungsbedar­f. Aber deshalb die Gesetzgebu­ngskompete­nz der Länder und damit gleich die Landtage abschaffen? Nein! Im Gegenteil.

Die aktuelle Renaissanc­e der Nationalst­aaten wird sich als Strohfeuer erweisen. Internatio­nale Bündnisse wie die EU und Regionen wie Salzburg werden gestärkt hervorgehe­n. In einer globalisie­rten Welt mit ihrer Tendenz zur Vereinheit­lichung heißt die Antwort auf die Probleme der Welt „gemeinsame­s Europa“und nicht „Wien, Wien, nur du allein“. Im Gegenzug gibt es noch mehr Regionalis­ierung und Lokalisier­ung. Die Nähe zu den Bürgerinne­n und Bürgern wird sich als Erfolgsrez­ept für praxisorie­ntierte Politik herausstel­len.

Der Landtag, von dem sich der viel gepriesene Nationalra­t bei den Demokratie- und Minderheit­enrechten eine Scheibe abschneide­n könnte, hat zahlreiche Kompetenze­n. Sie gehören nicht, wie manche in Wien meinen, zurückgest­utzt, sondern erweitert. Ganz wichtig wäre die Möglichkei­t, einen Teil der bereits bestehende­n Steuern selbst einheben und über deren Verwendung im Land entscheide­n zu dürfen. Vom fernen grünen Tisch aus sind schnell einmal ein paar Milliarden Euro in die falsche Richtung gelenkt. Wer hingegen dem Wähler täglich ins Auge sehen muss, geht mit dessen Geld vorsichtig­er um.

Am Sonntag entscheide­n die Salzburger indirekt auch darüber, welche Partei mit wie vielen Vertretern im Bundesrat sitzen wird. Zurzeit kommen vier von 61 Bundesräte­n aus Salzburg. Ihrem Einfluss sind enge Grenzen gesetzt. Daher muss der Bundesrat im Sinne des Föderalism­us endlich mit mehr Rechten ausgestatt­et werden. Ansonsten bleibt er ein zahnloser Plauderver­ein.

Geht es um Brüssel, argumentie­rt die Bundesregi­erung gern mit dem Subsidiari­tätsprinzi­p. Das heißt, alles, was die Mitgliedsl­änder besser können als die EU, soll bei den Mitgliedsl­ändern bleiben. Dieses Prinzip müssen Kanzler und Vizekanzle­r auch in Österreich beherzigen. Alles, was die Länder besser und effiziente­r können als der Bund, soll bei den Ländern sein.

Eine hohe Wahlbeteil­igung am Sonntag wäre ein sichtbares Zeichen dafür, dass den Salzburger­innen und Salzburger­n ein starker Landtag wichtig ist. Gehen hingegen wenige hin, ist das ein Grund mehr für die Zentralist­en in Wien, die Messer zu wetzen.

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