Zentralisten wollen die Landtage abschaffen
Salzburg wählt am Sonntag ein neues Regionalparlament. Ist das überhaupt noch zeitgemäß?
Länder sollen selbst Steuern einheben
Damit kein Irrtum aufkommt: Die 390.000 wahlberechtigten Salzburgerinnen und Salzburger entscheiden am Sonntag nur indirekt darüber, wie die Landesregierung der Zukunft aussieht. In erster Linie geht es um die Zusammensetzung des Landtages in den kommenden fünf Jahren. Und obwohl auf Tausenden Plakaten nur die Spitzenkandidaten zu sehen sind: Wer Landeshauptmann wird, das bestimmen nicht die Wähler direkt, sondern die 36 Abgeordneten zum Salzburger Landtag.
Nicht nur deshalb kommt dem Gremium große Bedeutung zu. Es wird von Zentralisten gern belächelt und als provinzielle Quatschbude abgetan, die sich um das Fischereirecht und die Normierung von Ziegelsteinen kümmert. In Wahrheit ist der Landtag einer der letzten Garanten für gelebten Föderalismus in Österreich. Die Abgeordneten sind das regionale Bindeglied zwischen den wenigen da oben und den vielen da unten. Es gibt hier noch Nähe zwischen Bürgern und Politik.
Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahr 1995 ist eine vierte Ebene zum bis dahin bestehenden politischen System (Gemeinden, Länder, Bund) hinzugekommen. Zentralistisch orientierte Experten vertreten seither die Theorie, dass man die Länderebene im Sinne der staatspolitischen Effizienz einsparen könnte. Sie kritisieren hohen Verwaltungsaufwand und viele Mehrgleisigkeiten. Tatsächlich liefern die österreichischen Bundesländer durch unterschiedliche Gesetze zu ein und den- selben Materien föderalistischen Sprengstoff. Neun unterschiedliche Jagdgesetze oder Bauordnungen sind tatsächlich zu viel. Dass in einem Land Whirlpools im Freien für Beherbergungsbetriebe gestattet sind, im anderen nicht, versteht auch kein Mensch. Man könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen. In einer Zeit grenzüberschreitender Lebensinteressen ist es für viele Menschen Unsinn, dass in einem Bundesland die Ziegel für Häuslbauer so beschaffen sein müssen und im anderen wieder anders. Da besteht Harmonisierungsbedarf. Aber deshalb die Gesetzgebungskompetenz der Länder und damit gleich die Landtage abschaffen? Nein! Im Gegenteil.
Die aktuelle Renaissance der Nationalstaaten wird sich als Strohfeuer erweisen. Internationale Bündnisse wie die EU und Regionen wie Salzburg werden gestärkt hervorgehen. In einer globalisierten Welt mit ihrer Tendenz zur Vereinheitlichung heißt die Antwort auf die Probleme der Welt „gemeinsames Europa“und nicht „Wien, Wien, nur du allein“. Im Gegenzug gibt es noch mehr Regionalisierung und Lokalisierung. Die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern wird sich als Erfolgsrezept für praxisorientierte Politik herausstellen.
Der Landtag, von dem sich der viel gepriesene Nationalrat bei den Demokratie- und Minderheitenrechten eine Scheibe abschneiden könnte, hat zahlreiche Kompetenzen. Sie gehören nicht, wie manche in Wien meinen, zurückgestutzt, sondern erweitert. Ganz wichtig wäre die Möglichkeit, einen Teil der bereits bestehenden Steuern selbst einheben und über deren Verwendung im Land entscheiden zu dürfen. Vom fernen grünen Tisch aus sind schnell einmal ein paar Milliarden Euro in die falsche Richtung gelenkt. Wer hingegen dem Wähler täglich ins Auge sehen muss, geht mit dessen Geld vorsichtiger um.
Am Sonntag entscheiden die Salzburger indirekt auch darüber, welche Partei mit wie vielen Vertretern im Bundesrat sitzen wird. Zurzeit kommen vier von 61 Bundesräten aus Salzburg. Ihrem Einfluss sind enge Grenzen gesetzt. Daher muss der Bundesrat im Sinne des Föderalismus endlich mit mehr Rechten ausgestattet werden. Ansonsten bleibt er ein zahnloser Plauderverein.
Geht es um Brüssel, argumentiert die Bundesregierung gern mit dem Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, alles, was die Mitgliedsländer besser können als die EU, soll bei den Mitgliedsländern bleiben. Dieses Prinzip müssen Kanzler und Vizekanzler auch in Österreich beherzigen. Alles, was die Länder besser und effizienter können als der Bund, soll bei den Ländern sein.
Eine hohe Wahlbeteiligung am Sonntag wäre ein sichtbares Zeichen dafür, dass den Salzburgerinnen und Salzburgern ein starker Landtag wichtig ist. Gehen hingegen wenige hin, ist das ein Grund mehr für die Zentralisten in Wien, die Messer zu wetzen.