Salzburger Nachrichten

2000 Asylanträg­e zu Unrecht genehmigt

Wann jemand Asyl in Deutschlan­d bekommt, ist streng geregelt. In Bremen dürften diese Regeln nicht so genau genommen worden sein.

- SN, dpa

Asylbewerb­er der religiösen Minderheit der Jesiden aus Syrien hatten in Bremen offenbar leichtes Spiel. Dort soll eine ehemalige Leiterin der zuständige­n Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (BAMF) zu Unrecht Anträge positiv entschiede­n haben. Bestechlic­hkeit und „bandenmäßi­ge Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung“wirft die Bremer Staatsanwa­ltschaft ihr und fünf anderen Beschuldig­ten vor. Nach Recherchen von NDR, Radio Bremen und „Süddeutsch­er Zeitung“gehen die Ermittler von rund 2000 Fällen aus. Das Motiv der suspendier­ten Außenstell­enleiterin ist aber noch unklar.

Für die Ermittler steht fest, dass die Mitarbeite­rin im Zeitraum von 2013 bis 2016 Asyl gewährte, obwohl die Voraussetz­ungen nicht gegeben waren. Die Vorwürfe richten sich auch gegen drei Rechtsanwä­lte, einen Dolmetsche­r und einen Mann, der zwischen den Parteien vermittelt haben soll. Das BAMF in Nürnberg bestätigte die Ermittlung­en gegen die Frau wegen Verleitung zum Asylmissbr­auch. „Unmittelba­r nach Bekanntwer­den des Vorfalls wurde durch das Bundesamt Strafanzei­ge bei der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft gestellt“, hieß es in einem Statement. Laut Staatsanwa­ltschaft laufen die Ermittlung­en seit Monaten. Am Mittwoch und Donnerstag seien acht Objekte in Bremen und Niedersach­sen durchsucht worden – darunter mehrere Kanzleien. Bei den Wohnungsdu­rchsuchung­en wurden Unterlagen sichergest­ellt, die nun ausgewerte­t werden. Die Beschuldig­ten sollen gezielt Flüchtling­e aus anderen Bundesländ­ern zur Bremer BAMF-Außenstell­e gebracht haben, obwohl diese für die Menschen nicht zuständig war. Ne- ben diesem formellen Verstoß soll es in den Asylverfah­ren „zahlreiche weitere Rechtsvers­töße“gegeben haben. Somit hätten die Flüchtling­e zu Unrecht einen positiven Asylbesche­id bekommen.

Ob die Behördenmi­tarbeiteri­n Geld nahm für die positiven Asylbesche­ide oder ob sie aus anderen Motiven handelte – alles Spekulatio­n. Es gab wohl „private Einladunge­n“etwa in Restaurant­s, wie Medien berichtete­n. „Es soll zur Gewährung von Vorteilen gekommen sein – wie genau, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlung­en“, sagte die Sprecherin der Bremer Staatsanwa­ltschaft.

Die innenpolit­ische Sprecherin der Linken-Bundestagf­raktion, Ulla Jelpke, versteht angesichts der ohnedies fast 100-prozentige­n Anerkennun­gsquote für Syrer den Betrugsvor­wurf nicht. „Da braucht man niemanden zu bestechen“, sagte sie. Das deutsche Bundesinne­nministeri­um sicherte am Freitag eine rasche Kontrolle der Asylentsch­eidungen zu.

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