Über alle Berge geradelt
Radtouristen queren zunehmend die Alpen. Denn das E-Bike reduziert auch für konditionsarme Freizeitradler die Notwendigkeit, flach an Seen und Flüssen dahinzurollen.
SALZBURG. Radreisen erleben seit einigen Jahren einen Boom. Immer mehr Menschen legen in ihrer Freizeit und im Urlaub mehrtägige Radtouren zurück. Und wenn deutsche Radreisende im oder ins Ausland rollen, dann führt deren Weg häufig nach Österreich.
In den 19 Jahren, seit die Radreiseanalyse des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) erstellt wird, steht dabei der Donauradweg stets an der Spitze der beliebtesten internationalen Radtouren, seit dem Vorjahr gefolgt von der Via Claudia Augusta, die Tirol von Nord nach Süd passiert. Den größten Sprung in der Beliebtheit unter den deutschen Radfahrern – vom neunten auf den vierten Platz – machte aber der in Summe 410 Kilometer lange Alpe-Adria-Radweg, der ab Salzburg über Kärnten bis nach Grado ans Meer führt.
Mit dem – ebenfalls Österreich passierenden – Radweg München– Venedig hat es ein weiterer Fernradweg, der die Alpen quert, erstmals unter die Top Ten gebracht (Platz sechs). Dass unter den Verlierern Fluss- und Küstenradwege dominieren, hat für den ADFC-Experten Frank Hofmann vor allem einen Grund: „Wir beobachten diese Tendenz seit fünf Jahren, und wir führen das Plus an Alpenüberquerungen auf den E-Bike-Boom zurück.“
Den Trend zum E-Bike kann man in Österreich nachvollziehen. „Wir rechnen, dass derzeit rund 20 Prozent der Radreisenden mit elektrischer Unterstützung unterwegs sind. Bei den ausgesprochenen Tourenund Trekkingrädern liegt der Marktanteil vermutlich schon bei 26 Prozent“, sagt Dietmar Kepplinger vom Marktforscher Kondeor. Vor zwei Jahren, als Kondeor die bisher einzige österreichische Radanalyse erarbeitete, war der Wert noch bei 15 Prozent gelegen. Die Trendwende von den Flüssen zur Nord-Süd-Achse vermag aber weder der Vertreter von „Radtouren Österreich“noch Eco-Plus-Mitarbeiter Christian Wegscheider, der ehrenamtlich die Eurovelo-Fernradwege in Österreich repräsentiert, zu bestätigen. Die einfache Ursache dafür: „Wir diskutieren intern immer die Frequenz der Hauptrouten, aber ohne Radanalyse haben wir leider keine aktuellen Zahlen“, sagt Wegscheider. Mangels Grundlagen könne man deshalb auch keine Wertschöpfungseffekte hochrechnen. „Das wäre aber die Basis für Partnerschaften mit der Wirtschaft.“Dabei beschäftigt man sich seit mehreren Jahren in zahlreichen Institutionen mit der Problematik. Neben Eurovelo und Radtouren Österreich gibt es die Arge Radtourismus, die nun vom Wirtschaftsministerium ins neue Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus gewandert ist. Dort ist ebenfalls eine Arge für den Radverkehr angesiedelt, die sich vor allem um urbane Infrastrukturen für „Alltagsradler“kümmert. Als ein Ergebnis bisheriger Bemühungen wurde im Vorjahr das A-Netz der österreichischen Radhauptrouten definiert. Was komplett fehlt, ist jedoch dessen Kommunikation nach außen. Sei es medial oder durch Beschilderung. Hier könnte die Allianz der 10 (Österreich Werbung plus neun Landestourismusorganisationen) in den nächsten Monaten aktiv werden.
Eine weitere in Deutschland erhobene Tendenz vermag in Österreich keiner nachzuvollziehen. Denn der ADFC registrierte 2017 erstmals einen deutlichen Rückgang bei Radreisenden um 17 Prozent. Wie im Tourismus häufig der Fall, wird dem niederschlagsreichen Wetter die Hauptschuld gegeben. Wobei der Rückgang an längeren Radreisen von mehr Kurztrips und Ausflügen teilweise kompensiert wurde. Drei Viertel der 4,3 Millionen Radtouristen bevorzugen Streckentouren, ein Viertel wählt ein Hotel und radelt täglich von dort aus. Spektakulär ist ein weiterer Wert: Abgesehen von den echten Radtouristen, machten die Deutschen im Vorjahr in Urlaub – daheim oder im Ausland – 99 Millionen Tagesausflüge auf dem Rad. Und 87 Prozent der Radreisenden sagen, sie würden auch heuer wieder in die Pedale treten.
Im Land Salzburg wird besonders das gute Gedeihen des Alpe-AdriaRadwegs erfreut registriert. Schließlich wurde dadurch der Tauernradweg – bis Schwarzach deckungsgleich mit dem Alpe-AdriaRadweg – seit 2012 wiederbelebt. Während es vom Übergang nach Kärnten, der Tauernschleuse, keine Zahlen über Radtransporte gibt, zeichnet der Micotra-Zug, der zwischen Udine und Villach, verkehrt, ein klares Bild: 17.500 Räder wurden 2017 transportiert, um 36 Prozent mehr als 2016. Die Gastgeber haben besonders im Gasteiner Tal reagiert, wo bereits 22 radfreundliche Betriebe als Spezialisten auftreten. Beim Start 2012 waren es erst vier.
„30 Prozent der Sommergäste im Salzburger Land steigen im Urlaub aufs Fahrrad, ein Drittel davon sind schon Mountainbiker“, skizziert Leo Bauernberger, Geschäftsführer von SalzburgerLand Tourismus, die Dimension. Gerade die Veranstaltung von Großereignissen wie den Mountainbike-Weltmeisterschaften in Saalfelden-Leogang 2012 und 2020 sorgten für eine hohe internationale Aufmerksamkeit und Markenprofilierung.
„30 Prozent der Gäste radeln.“