Landvogt und Kanzlerrekrut
Vor der Salzburger Landtagswahl am Sonntag sind eigentlich keine Fragen offen. Halt, eine doch: Warum heißt der alte und wohl auch neue Landeshauptmann eigentlich Landeshauptmann? Wilfried Haslauer könnte genauso gut Landeskanzler, Landesvorstand, Landesverweser oder Landespolitikkommandant heißen. Oder Landvogt. Warum ausgerechnet Landeshauptmann?
Hauptmann ist bekanntlich ein militärischer Rang, und zwar einer der gehobenen Mitte. Die soldatische Hierarchie reicht in Österreich vom Rekruten bis zum General, und mittendrin steht der Hauptmann. Ist er tüchtig (oder wird er schlicht älter), steigt er zum Major auf. Stiehlt er silberne Löffel oder ein Eurofighter-Flügerl, wird er hingegen degradiert. Dann ist er nur noch Oberleutnant oder gar Leutnant.
In der Politik gibt es dieses titelmäßige Anreizsystem aus winkender Beförderung und drohender Degradierung nicht. Da ist der Landeshauptmann immer der Landeshauptmann, egal wie die Landtagswahl ausgeht. Warum ist das so? Wieso gibt es in der Politik kein Rangsystem wie beim Militär?
Zum Beispiel würde es zusätzliche Spannung in den morgigen Salzburger Wahltag bringen, wenn der Wähler darüber entscheiden könnte, ob Wilfried Haslauer ab Montag nur noch Landesoberleutnant oder – im Falle eines Wahlsieges – Landesmajor oder gar Landesoberstleutnant sein wird.
Auch die Vergleichbarkeit zwischen den Landeshauptleuten der einzelnen Bundesländer würde dadurch erhöht. Johanna Mikl-Leitner ist nach ihrer absoluten Mehrheit in Niederösterreich jetzt mindestens Landesbrigadier bzw. -brigadeuse. Günther Platter in Tirol und Peter Kaiser in Kärnten sind mit ihren klaren Wahlsiegen in diesem Frühjahr von Landesoberstleutnants zu Landesobersten aufgestiegen. Und Legenden wie Eduard Wallnöfer, der Tirol weiland mit Zweidrittelmehrheit regierte, wäre klarerweise Landesgeneral gewesen. Oder sogar Landesgeneralfeldmarschall, wenn es das in Österreich gäbe.
Ein weiterer Vorteil einer militärischen Rangordnung in der Politik: Die allerorten geführte Debatte, ob die neue Bundesregierung gut oder schlecht sei, ließe sich mit ihrer Hilfe in klare, übersichtliche Bahnen lenken. Sebastian Kurz wurde vor vier Monaten als Kanzlerrekrut angelobt, jetzt ist er – je nach persönlichem Geschmack – schon Kanzlerkorporal oder Kanzlerzugführer.
Oder – auch diese Einschätzung ist möglich – immer noch Rekrut. Weniger als Rekrut geht übrigens nicht. Denn ein Rekrut, der die Degradierung verdient, wird aus dem Heer hinausgeschmissen, und zwar wegen Wehrunwürdigkeit. Würde man den ehemaligen Kanzlerfähnrich und nunmehrigen Oppositionsrekruten Christian Kern fragen: Er täte das mit Kurz sicherlich sofort!
Einen einzigen Minister gibt es, der seine Regierungskarriere im Dezember nicht als Rekrut, sondern gleich als höheres Wesen begonnen hat, nämlich den Verteidigungsminister. Mario Kunasek war schon zuvor Stabswachtmeister. Ob er das jetzt auch noch ist?
Ausgenommen bleiben von der vorgeschlagenen Titel-Flexibilisierung muss selbstverständlich der Herr Bundespräsident. Er ist in jedem Fall Bundesgeneral mit vier Sternen. Eine Degradierung kommt bei ihm allein aus Gründen der Staatsräson keinesfalls in Betracht, schon gar nicht zum Bundeshauptmann. Denn (das sollte man vielleicht auch noch erwähnen) Hauptmann ist ein bedenklicher Titel, kommt er doch in einem der berüchtigtsten Zitate der Weltliteratur vor. Und das geht so:
„Sag Deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät habe ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich ---“
(„Götz von Berlichingen“, 3. Akt)