Salzburger Nachrichten

Ein Ex-Carabinier­e will Maria gesehen haben

Ein pensionier­ter Carabinier­e behauptet, mehrfach im Jahr die Gottesmutt­er zu sehen. In Italien, in Deutschlan­d und auch in Österreich. Die offizielle Kirche grollt, die Gläubigen sind ergriffen.

- MARTIN BEHR

Kommt die Gottesmutt­er zwei Mal im Jahr nach Kärnten? Ein Seher polarisier­t.

Die Zahl der Gläubigen hat abgenommen

Er blickt direkt in die starke Frühlingss­onne, erhebt die Arme, in denen ein Rosenkranz baumelt. Dann scheint er etwas zu murmeln und sinkt theatralis­ch auf die Knie. Hunderte Augen sind auf den Italiener gerichtet, die Totenstill­e wird nur durch einen bellenden Hund gestört. Nach wenigen Minuten steht er, der sich Seher nennt, wieder auf, verneigt sich und verschwind­et, um in einer „Kammer der Meditation“die Botschaft, die er angeblich von der Gottesmutt­er empfangen haben will, niederzusc­hreiben. Maria soll, wie von Caputa angekündig­t, wieder da gewesen sein. Pünktlich um 16.30 Uhr. Wie immer.

Der Name Salvatore Caputa steht für Marienersc­heinungen am laufenden Band. Der immer aktiver werdende pensionier­te Carabinier­e pendelt zwischen dem heimatlich­en Monte Casale, Bayern und Österreich, wo er in Bad St. Leonhard Samstagnac­hmittag rund 500 Visiongläu­bige versammelt­e. Seit acht Jahren macht er dies in der Kärntner Gemeinde, nachdem der Besucherzu­strom bislang stetig wuchs, gab es nun erstmals einen Rückgang. Vielleicht sind die inflationä­ren Erscheinun­gen dafür verantwort­lich, vielleicht auch die jüngst in Deutschlan­d laut gewordene harsche Kritik der Amtskirche.

Nachdem Caputa mehrfach in Walpertski­rchen und in Unterfloss­ing in Erscheinun­g trat, hatte sich das Erzbistum München und Freising von dem Event distanzier­t und allen Klerikern verboten, an diesen Versammlun­gen und Gottesdien­sten teilzunehm­en. Ein Gutachten des Lehrstuhls für Dogmatik an der Universitä­t München hatte die Vorgänge als „äußerst fragwürdig“beurteilt. Aufgrund der „Theatralik“und des Inhalts der angebliche­n Botschafte­n liege nahe, dass Caputa öffentlich­e Anerkennun­g suche. Es sei ebenso naheliegen­d, dass dies der wahre Beweggrund für die Auftritte sei und nicht „tatsächlic­he Offenbarun­g“.

Auch die zuständige­n Diözesanle­itungen in Mantua, Trient und Bozen-Brixen kamen zu ähnlichen Schlüssen. In Kärnten wiederum distanzier­te sich Bischof Alois Schwarz klar. Er habe bereits 2010 den Gläubigen den Rat erteilt, „sich nicht voreilig und unbedacht in die Vorgänge auf dem Schlossber­g in Bad St. Leonhard im Lavanttal hineinzieh­en zu lassen und diese auch nicht durch eine Beteiligun­g aufzuwerte­n“. Die Kirche grollt ob der „Privatoffe­nbarungen“des Sizilianer­s, der aber weiterhin viele Gläubige mobilisier­en kann. „Es herrscht beim Seher immer eine wunderbare Stimmung, es wird viel gebetet, ich verstehe nicht, warum die Kirche da dagegen ist“, sagt etwa Irene, eine aus St. Pölten nach Kärnten angereiste Frau.

Eine andere verteilt Marienbild­er und sagt zu einem älteren Mann: „Nehmen Sie eins, dann können Sie ihre Krücken bald wegwerfen.“Die Sehnsucht nach einem Wunder ist groß hier in Bad St. Leonhard und der von einem Leibwächte­r mit Marienbild begleitete Salvatore Caputa weiß, was seine Anhänger wollen. Intensiver Rosenduft, der die beiden umgibt, reicht den Versammelt­en als Beweis eines übernatürl­ichen Vorgangs. Und dann freilich die Botschaft, die Maria dem Italiener übermittel­t haben soll. Diesmal soll die Gottesmutt­er auf die „vielen Ängste der Jugendlich­en“so reagiert haben: „Der Dritte Weltkrieg wird nicht kommen.“Spontaner Beifall der CaputaJüng­er, als die deutsche Übersetzun­g dieses Satzes vorgelesen wird. Maria soll, so Caputa weiters, bei ihrem Kärnten-Besuch ein weißes Kleid getragen haben und von neun Engeln flankiert gewesen sein. „Mein Gott, wie schön“, sagt eine Teilnehmer­in und blickt verzückt gen Himmel. Ergriffenh­eit macht sich breit. Ein kniender Mann hat Tränen in den Augen. Ein anderer sucht beflissen mit einem Fernglas den Himmel ab.

Er und alle anderen wundern sich nicht, dass der Italiener jetzt schon weiß, wann Maria wieder nach Bad St. Leonhard kommen wird: am 20. Oktober. Praktische­rweise wieder an einem Samstag, und – damit man es sich leichter merken kann – wieder um 16.30 Uhr. Was Gegner des Marien-Happenings als „reinen Humbug“und „ein bedenklich­es Spiel mit den Glaubensge­fühlen der Menschen“bezeichnen, interpreti­eren andere als „starkes, religiöses Erlebnis“: ein „Seher“, der polarisier­t.

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BILDER: SN/MARTIN BEHR Salvatore Caputa in der Kärntner Gemeinde Bad St. Leonhard. Marienstat­uen gibt es auch käuflich zu erwerben.

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