Kuba setzt auf China und Russland
Unter dem neuen Präsidenten Miguel Díaz-Canel wird es keine liberale Öffnung geben.
HAVANNA. Als Miguel Díaz-Canel seine erste Rede vor großer Öffentlichkeit gehalten hatte, fühlten sich die größten Pessimisten bestätigt. Der erste kubanische Präsident der Nach-Castro-Ära wirkte vor den 605 Delegierten der Nationalversammlung und den neugierigen Augen der weltweiten TV-Kameras nervös, las vom Papier ab und verhaspelte sich hin und wieder.
Der neue Präsident machte schnell klar: Er steht zwar künftig an der Spitze. Aber die Politik, die machen immer noch die „Historischen“, allen voran Raúl Castro, der die kommenden drei Jahre Chef der Partei und der Politbüros bleibt und somit „Díaz-Canel nicht allein lässt“, wie es der Ökonom Pavel Vi- dal ausdrückt. Díaz-Canel hat es selbst gesagt und sich damit einer Kernkompetenz beraubt: „Raúl Castro wird weiterhin die wichtigsten Entscheidungen anführen.“Der neue Staatschef erteilte jenen eine Absage, die auf stärkere – vor allem wirtschaftliche – Reformen gehofft hatten: „In Kuba ist kein Platz für diejenigen, die nach einer Rückkehr des Kapitalismus streben.“
Dabei braucht Kuba eine ganze Prise mehr Kapitalismus als bisher – tief greifende Reformen, Abbau von Bürokratie, schnellere Öffnungen, mehr Investitionen. Unabhängige Ökonomen sagen, das Bruttoinlandsprodukt sei in den vergangenen zwei Jahren geschrumpft.
Ein Ziel, das Raúl Castro mit der Annäherung an die USA zu Zeiten Barack Obamas erreichen wollte, war die Diversifizierung der Sponsoren. Touristen und US-Unternehmen sollten die Dollars bringen, die Venezuela nicht mehr zahlen kann. Der sozialistische Bruderstaat war über ein Jahrzehnt das für Kuba, was vor der Öffnung Osteuropas die Sowjetunion gewesen war – ein lebenswichtiger Verbündeter. Venezuela sandte Öl zu vergünstigten Preisen – und Kuba schickte Trainer, Lehrer und Ärzte, die Caracas in harten Dollars bezahlte. Aber da mittlerweile Venezuelas Ökonomie selbst im Koma liegt, geht es jener Kubas ebenso schlecht.
So sucht die Führung in Havanna schon seit Längerem nach neuen Sponsoren. Castro war sogar in Algerien, um dort das Öl zu beschaffen, das er nicht mehr aus Venezuela bekommt. Vor allem China und Russland füllen zunehmend die Lücke, die Venezuela hinterlassen hat. Soeben investierte China 36 Mill. Dollar in Projekte in den Bereichen Landwirtschaft, Wasserversorgung, erneuerbare Energien und Technologie. China ist derzeit mit Exporten nach Kuba für 1,8 Mrd. Dollar (2017) der größte Handelspartner der Insel. Zum ersten Mal seit den 1990erJahren liefert Russland wieder Öl nach Kuba, um den Verlust der vergünstigten Lieferungen aus Venezuela auszugleichen.
Wer sich wirtschaftlich so eng an Peking und Moskau bindet, wird sich auch politisch an diese autoritären Staaten schmiegen. Das heißt, es wird keine liberale Öffnung geben. Pressefreiheit, Bürgerrechte, Ende des Einparteienstaats – alles Fehlanzeige unter Díaz-Canel.