Salzburger Nachrichten

Protest gegen das Präsidente­n-Paar

In Nicaragua demonstrie­ren die Menschen nicht nur gegen eine umstritten­e Sozialrefo­rm. Anlass des Aufruhrs ist vielmehr der Ärger über die selbstherr­liche Amtsführun­g von Staatschef Daniel Ortega samt Gattin.

- COSEP, Arbeitgebe­rverband

„Die Regierung muss die Repression gegen die Demonstran­ten stoppen.“

Es sind verstörend­e Bilder, die dieser Tage aus Nicaragua um die Welt gehen. Man sieht brennende Regierungs­gebäude, Straßenbar­rikaden, junge Vermummte mit Steinen, die sie auf Polizisten werfen. Diese antworten mit Gummigesch­ossen und Tränengas. Seit dem Wochenende ist auch das Militär auf den Straßen, Panzer rollen. Nach Angaben von Menschenre­chtsaktivi­sten kamen bei heftigen Zusammenst­ößen bisher mindestens 25 Menschen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt.

Nicaragua ist das zweitärmst­e Land Lateinamer­ikas, der Mindestloh­n liegt bei 170 Dollar pro Monat. Die Regierung von Präsident Daniel Ortega steht massiv unter Druck. Auslöser des Konflikts ist eine geplante Reform der Sozialkass­en, die Pensionist­en zu einer fünfprozen­tigen Kürzung ihrer Pensionen nötigen würde und Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r zu drastisch erhöhten Abgaben verpflicht­et. So sollen umgerechne­t 200 Millionen Euro in die Kassen der Pensionska­sse INSS gespült werden. Diese Erhöhung, so behauptet die Regierung, sei notwendig, um den Zusammenbr­uch der Sozialsyst­eme zu verhindern. Kritiker hingegen werfen der Regierung vor, die Kassen geplündert und das Geld für fragwürdig­e Projekte abgezweigt zu haben.

Der soziale Protest hat sich wie ein Lauffeuer zu einem landesweit­en Aufstand gegen den unbeliebte­n Präsidente­n und seine Frau und Vize-Präsidenti­n Rosario Murillo entwickelt, denen die Menschen selbstherr­liche und korrupte Amtsführun­g vorwerfen – und die Errichtung einer Familiendy­nastie.

„Die Proteste richten sich nicht nur gegen das Pensionssy­stem“, sagt Azalea Solís vom Opposition­sbündnis FAD. „Hier spiegeln sich zehn Jahre Missbrauch und Demütigung der Bevölkerun­g durch die Regierung.“Die Nicaraguan­er stünden jetzt gegen den „Autoritari­smus der Regierung“auf. Dem Präsidente­n sei die Handhabung der Krise völlig aus der Hand geraten.

Die nicaraguan­ische Bischofs- konferenz rief die Regierung auf, die umstritten­e Reform zurückzune­hmen. Die Regierung erklärte daraufhin, Ortega sei bereit, an den Verhandlun­gstisch zurückzuke­hren. Der einflussre­iche Arbeitgebe­rverband COSEP aber will dem Dialog mit Ortega nur zustimmen, wenn die Regierung die Repression gegen die Demonstran­ten beendet, die Festgenomm­enen freilässt und die Pressefrei­heit wieder herstellt.

Präsident Ortega müsste im Grunde aus eigener Erfahrung wis- sen, wo sozialer Protest in Nicaragua enden kann. Er war führender Kopf der sandinisti­schen Rebellen (FSLN), die 1979 den Diktator Anastasio Somoza stürzten und dann die Macht übernahmen. Ortega wurde später Präsident und 1990 wegen der schweren Wirtschaft­skrise des Landes abgewählt. 2007 übernahmen die Sandiniste­n wieder die Macht. Seither hat Ortega alles dafür getan, diese nicht wieder abzugeben. Er hat sich mit rechten korrupten Politikern verbündet und seine Gegner politisch kaltgestel­lt. Heute ist der Ex-Revolution­är einer jener lateinamer­ikanischen Herrscher, die weder links noch rechts sind, sondern als einzige Ideologie den Machterhal­t verfolgen.

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