Am Gold klebt Blut
Schwarz ist die Farbe der Künstler. Aber Blut ist die Farbe des Goldes. Dem Salzburger Landestheater gelingt eine starke Opernproduktion.
Goethe wusste es: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“Also ist es gar nicht abwegig, den gleich am Anfang groß herausgestellten Chor zu Gaffern und Kundschaft am SchmuckfashionLaufsteg zu machen. Die Meute giert nach Sensationen – auch wenn die Geschmeide des gefeierten Meisters Cardillac gar nicht existieren, nur Schaukasten als Umrisse im coolen Neonlicht aus dem Schwarz der Bühne leuchten.
In diesem abstrakten Setting siedelt Regisseurin Amélie Niermeyer mit ihrer Ausstatterin Stefanie Seitz Paul Hindemiths 1926 uraufgeführte Oper „Cardillac“im Salzburger Landestheater an. Die raffinierte Genauigkeit ihrer Personenführung macht ein Gutteil der suggestiven Wirkung dieser Aufführung aus. Immer ist man mitten im Krimi um mysteriöse Morde, die stets dann geschehen, wenn Cardillac eines seiner Schmuckstücke verkauft hat. Soghaft hineingezogen aber wird man auch in ein ambivalentes Künstlerdrama. Wer ist dieser Star? Warum gibt es um ihn einen derartigen Hype? Warum verfallen ihm Kunden wie Adabeis? Ist er, quasi verkaufstreibend, selbst schuld an diesem Run oder „nur“– wie sich am Ende herausstellt – an den Morden, weil er sich von seinen Kunstwerken als Schöpfer nicht trennen kann? Dass er nach der Lynchjustiz des Mobs zu seinem eigenen Denkmal erstarrt – und sein Schwiegersohn, der Offizier, wohl gewinnbringend die Geschäfte weiterführt, nachdem Cardillacs Tochter buchstäblich aus der Gesellschaft ausgestoßen wurde –, ist die logische Konsequenz dieses mit rund 90 Minuten straffen Musikthrillers.
So schön und erlesen auf den Videos von Philipp Batereau die Goldschlieren auch über Gesichter rinnen: An diesem Gold klebt Blut. Also wird Cardillac nicht nur mit Glanz übergossen, sondern auch mit der roten Farbe des Verbrechens. Zuweilen ist die Symbolik etwas überdeutlich, und die schwer expressionistisch aufgeladene (und dementsprechend ohne Übertitel kaum entzifferbare) Sprache des Librettos von Ferdinand Lion tut ein Übriges, dass man sich im permanenten Walzwerk der Worte und der Töne gelegentlich gerädert oder gar platt gedrückt fühlt.
Aber es herrscht – und das ist das nicht geringe Verdienst des jungen Ersten Kapellmeisters Robin Davis – bei Weitem nicht nur Überdruck in Orchester und Korrespondenz mit der Bühne. Davis hat auch ein gutes Gespür für die feineren, quasi neobarocken Seiten der Partitur, weiß den (Holz-)Bläsersatz delikat zu lichten, Streicherlinien präzise zu führen – auch wenn der Klang des engagiert „aufdrehenden“Mozarteumorchesters im kleinen Landestheater sich nicht genügend luftig verzweigen kann. Das andere Kollektiv, der Chor, zeigt ebenso herausragend intensive Qualität.
Mit Marian Pop hat die Produktion einen so kräftig wie spielerisch baritonal fundierten Titelhelden, dessen markantem Organ es aber doch an ausdifferenzierten Farben mangelt. Berührend zeigt AnneFleur Werner als seine Tochter, dass sie andere, menschliche Seiten besitzt, in dieser Kunstwelt aber fremd bleiben muss. Kristofer Lundin dreht als Offizier tenorschmetternd durchsetzungsstark auf, die kleineren Rollen sind mit Frances Pappas und Franz Supper perfekt, mit Raimundas Juzuitis und George Humphreys deutlich und präsent besetzt. Das Premierenpublikum jubelte begeistert. Oper: