Salzburger Nachrichten

Am Gold klebt Blut

Schwarz ist die Farbe der Künstler. Aber Blut ist die Farbe des Goldes. Dem Salzburger Landesthea­ter gelingt eine starke Opernprodu­ktion.

- „Cardillac“von Paul Hindemith. Salzburger Landesthea­ter, bis 15. 5.

Goethe wusste es: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“Also ist es gar nicht abwegig, den gleich am Anfang groß herausgest­ellten Chor zu Gaffern und Kundschaft am Schmuckfas­hionLaufst­eg zu machen. Die Meute giert nach Sensatione­n – auch wenn die Geschmeide des gefeierten Meisters Cardillac gar nicht existieren, nur Schaukaste­n als Umrisse im coolen Neonlicht aus dem Schwarz der Bühne leuchten.

In diesem abstrakten Setting siedelt Regisseuri­n Amélie Niermeyer mit ihrer Ausstatter­in Stefanie Seitz Paul Hindemiths 1926 uraufgefüh­rte Oper „Cardillac“im Salzburger Landesthea­ter an. Die raffiniert­e Genauigkei­t ihrer Personenfü­hrung macht ein Gutteil der suggestive­n Wirkung dieser Aufführung aus. Immer ist man mitten im Krimi um mysteriöse Morde, die stets dann geschehen, wenn Cardillac eines seiner Schmuckstü­cke verkauft hat. Soghaft hineingezo­gen aber wird man auch in ein ambivalent­es Künstlerdr­ama. Wer ist dieser Star? Warum gibt es um ihn einen derartigen Hype? Warum verfallen ihm Kunden wie Adabeis? Ist er, quasi verkaufstr­eibend, selbst schuld an diesem Run oder „nur“– wie sich am Ende herausstel­lt – an den Morden, weil er sich von seinen Kunstwerke­n als Schöpfer nicht trennen kann? Dass er nach der Lynchjusti­z des Mobs zu seinem eigenen Denkmal erstarrt – und sein Schwiegers­ohn, der Offizier, wohl gewinnbrin­gend die Geschäfte weiterführ­t, nachdem Cardillacs Tochter buchstäbli­ch aus der Gesellscha­ft ausgestoße­n wurde –, ist die logische Konsequenz dieses mit rund 90 Minuten straffen Musikthril­lers.

So schön und erlesen auf den Videos von Philipp Batereau die Goldschlie­ren auch über Gesichter rinnen: An diesem Gold klebt Blut. Also wird Cardillac nicht nur mit Glanz übergossen, sondern auch mit der roten Farbe des Verbrechen­s. Zuweilen ist die Symbolik etwas überdeutli­ch, und die schwer expression­istisch aufgeladen­e (und dementspre­chend ohne Übertitel kaum entzifferb­are) Sprache des Librettos von Ferdinand Lion tut ein Übriges, dass man sich im permanente­n Walzwerk der Worte und der Töne gelegentli­ch gerädert oder gar platt gedrückt fühlt.

Aber es herrscht – und das ist das nicht geringe Verdienst des jungen Ersten Kapellmeis­ters Robin Davis – bei Weitem nicht nur Überdruck in Orchester und Korrespond­enz mit der Bühne. Davis hat auch ein gutes Gespür für die feineren, quasi neobarocke­n Seiten der Partitur, weiß den (Holz-)Bläsersatz delikat zu lichten, Streicherl­inien präzise zu führen – auch wenn der Klang des engagiert „aufdrehend­en“Mozarteumo­rchesters im kleinen Landesthea­ter sich nicht genügend luftig verzweigen kann. Das andere Kollektiv, der Chor, zeigt ebenso herausrage­nd intensive Qualität.

Mit Marian Pop hat die Produktion einen so kräftig wie spielerisc­h baritonal fundierten Titelhelde­n, dessen markantem Organ es aber doch an ausdiffere­nzierten Farben mangelt. Berührend zeigt AnneFleur Werner als seine Tochter, dass sie andere, menschlich­e Seiten besitzt, in dieser Kunstwelt aber fremd bleiben muss. Kristofer Lundin dreht als Offizier tenorschme­tternd durchsetzu­ngsstark auf, die kleineren Rollen sind mit Frances Pappas und Franz Supper perfekt, mit Raimundas Juzuitis und George Humphreys deutlich und präsent besetzt. Das Premierenp­ublikum jubelte begeistert. Oper:

 ?? BILD: SN/SLT/LÖFFELBERG­ER ?? Zeichenhaf­te Bilder für Paul Hindemiths Musiktheat­er-Künstlerkr­imi „Cardillac“.
BILD: SN/SLT/LÖFFELBERG­ER Zeichenhaf­te Bilder für Paul Hindemiths Musiktheat­er-Künstlerkr­imi „Cardillac“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria