Letzte Frage: Wie lang dauert der Schock?
Nach der Saison ist auch im Eishockey vor der Saison. Beim EC Red Bull Salzburg stehen Entscheidungen an, die man sich im Falle eines gewonnenen Finales wohl hätte ersparen können. So aber werden Personalfragen spannend.
Die 15. Saison der Erste Bank Eishockey-Liga ist vorbei, endete wie die Saison 2014 mit dem gleichen Überraschungsmeister, der im Finale den gleichen Favoriten in dessen Arena bezwang. Sogar das Ergebnis im Entscheidungsspiel (3:2 für den HC Bozen gegen die Red Bulls Salzburg) war dasselbe. Und gleich wie 2014 war an diesem vergangenen Freitag der Jubel der Südtiroler, und gleich wie 2014 ist das andauernde Dilemma der Salzburger.
Ist Bozen verdienter Meister? „Man muss sich ansehen, was diese Mannschaft in dieser Saison durchmachte“, sagte Ex-Salzburg-Keeper und TV-Analytiker Bernd Brückler im SNInterview. Da hat er Recht: Vom letzten Platz zum Titel, nach etlichen „Finalspielen“, die über Weiterkommen oder Saisonaus entschieden, hat das Team um den Freitag zurückgetretenen Kapitän Alexander Egger (38) Phänomenales geleistet und erreicht. Unter der Führung eines Cheftrainers, der den Vorgänger (der die Mannschaft großteils zusammenstellte und aufbaute) im Herbst ablöste und sein Team mit Geschick und Raffinesse bis zum Titel führte. Dass Kai Suikkanen anderswo, z. B. in der KHL bei Jaroslawl, wegen seines strikten Defensivsystems vorzeitig gefeuert wurde, ist jetzt Nebensache – und rettete ihm in jenem Fall das Leben (die Mannschaft starb Monate später, im September 2011, mit seinem Nachfolger Brad McCrimmon bei einem Flugzeugabsturz).
In Bozen konnte Suikkanen mit den richtigen Leuten für ein Mauer-System reüssieren. Weder der KAC noch Titelverteidiger Vienna Capitals noch die Red Bulls wussten schlussendlich Lösungen gegen das Bozner Kollektiv – obwohl alle drei die vermutlich besseren Einzelspieler hatten. Im Nachhinein kann man sagen: Suikkanen wurde in Bozen der Meister der destruktiven Spielweise; man kann argumentieren, das bessere „Finale“auf höherem Niveau war das Semi zwischen Salzburg und den Linzer Black Wings, ein Offensivspektakel, das die Zuschauer elektrisierte – beider Teams.
Bei Salzburg gegen Bozen waren nur die Südtiroler Fans dank ihrer „Söhne“elektrisiert. Doch auch hier muss man zugeben: Der Zweck heiligt die Mittel. Folgerichtig haben Suikkanen, Egger, Monardo, das Raubein Halmo (über dessen Charakter zu befinden ist hier nicht das Thema) & Co. alles richtig gemacht.
In Klagenfurt und Wien ist der Katzenjammer wahrscheinlich schon vorbei, in Salzburg wird er noch länger dauern. Spieler und Teamführung waren Freitagnacht verständlicherweise verschlossen: Von den Aktiven wollte sich niemand den Mund verbrennen, von der Führung war kaum jemand gesprächsbereit. „Analyse in gemeinsamen Gesprächen in den nächsten Tagen“, hieß es nur.
Schauen wir einmal im Fall Red Bulls auf die nüchternen Fakten der Ära Greg Poss (seit 2016): Out im Halbfinale 2017 (nach Verletzungsmisere und 2:0-Führung) gegen den KAC mit 2:4; 2018 nach Play-off-Siegen gegen Dornbirn und Linz (jeweils 4:2) Finalniederlage gegen Bozen mit 3:4 nach 3:2-Führung.
Was hat Poss mit dem Team, dem nominell vielleicht stärksten, vermutlich auch dem bestbezahlten der Liga, erreicht? Einen ÖEHV-Titel (schön für die Statistik, den Spielern aber nichts wert, wenn man das Finale verliert) und zwei Mal Play-off-Phase der Champions League. In dieser in der vergangenen Saison nach Achtungserfolgen (Gruppenphase gegen DEL-Club Wolfsburg überstanden) gegen den späteren Finalisten Växjö im Achtelfinale wegen eines Tors knappest gescheitert.
In der EBEL: im Herbst kurz Vorletzter, im Jänner/Februar ein Run von zehn Siegen in Folge und Qualifikation für die CHL dank Platz zwei in der Pick-Round. Damals funktionierte alles, auch das, was im Finale nicht mehr ge- lang: z. B. ein effizientes Powerplay, das den Red Bulls auch gegen Bozen locker den Titel gebracht hätte: Erfolgsquote über die Saison 24,4 Prozent, in den Play-offs 20,0 und im Finale noch klar darunter. Bozen steigerte die Unterzahl-Effizienz von 85,2 auf 87,2 in den Play-offs, bei Salzburg sank sie von 79 auf 75 Prozent; Torhüterstatistik in den Play-offs: Bozens Tuokkola 92,7, Salzburgs Starkbaum 89,9 Prozent. Conclusio: Zur wichtigsten Zeit weit weg von Normal- oder gar Höchstform.
Fast alle einheimischen Spieler bleiben in Salzburg, auch einige Legionäre haben noch einen Vertrag (Hughes) oder werden wahrscheinlich verlängert (Raymond, Duncan, Stajnoch). Die Fragezeichen sind Goalie Starkbaum, dazu Schremp und Mueller (die offenbar weit überhöhte Gehaltsvorstellungen haben). Und Headcoach Greg Poss. Die Teamführung neigt, so klang es durch, zur Vertragsverlängerung.
Was manche Spieler und die meisten Fans wohl nicht begreifen würden. Aber: Die Cluboberen haben „eigene“Prioritäten. Die sie sicher einmal erklären werden. Wenn sie wieder gesprächsbereit sind.