Salzburger Nachrichten

Die EZB braucht mehr Tempo

Der deutsche Wirtschaft­sweise Lars Feld spricht über Macrons Euroreform und den Klimaschut­z.

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GERALD STOIBER Der liberale Ökonom Lars Feld, Leiter des Eucken-Instituts in Freiburg im Breisgau und einer der deutschen „Wirtschaft­sweisen“, war dieser Tage erstmals in Salzburg zu Gast. Am Rande des Investment­abends des Raiffeisen­verbands trafen ihn die SN zum Interview.

SN: Sie haben die Geldpoliti­k der EZB oft kritisiert, wie sehen Sie die Situation jetzt?

Lars Feld: Der Sachverstä­ndigenrat hat die unkonventi­onelle Geldpoliti­k nicht grundsätzl­ich kritisiert. An der Nullzinsgr­enze ist eine solche mit Anleihekäu­fen gerechtfer­tigt, wenn man Deflations­gefahr sieht. Wir haben jedoch das Ausmaß von Quantitati­ve Easing kritisiert. Unseres Erachtens läuft die Eurozone gut – die Produktion­slücke ist seit 2017 geschlosse­n –, die Inflations­raten gehen langsam in Richtung der Zielgrößen der EZB, die ja unter zwei Prozent liegen. Wenn die Inflation 1,5 Prozent für die gesamte Eurozone beträgt, muss die EZB rechtzeiti­g reagieren, damit sie nicht auf 2,5 oder drei Prozent steigt. Stattdesse­n führt sie das Anleihekau­fprogramm bis Ende September fort und wird dann abwarten, was das am Ende bewirkt. Ab Mitte 2019 könnten die Zinsschrit­te kommen und der Nachfolger Mario Draghis wird die Suppe auslöffeln müssen.

SN: Ist Griechenla­nd abgehakt?

Nein, weder positiv noch negativ. Der Sachverstä­ndigenrat empfahl im Jahr 2015, gegenüber Griechenla­nd eine harte Linie zu fahren und es sogar auf den Austritt des Landes aus der Eurozone ankommen zu lassen. Das wäre aber die Ultima Ratio ohne erneute Beitrittsm­öglich- keit, zumindest auf absehbare Zeit, gewesen. Eine Idee einer atmenden Währungsun­ion funktionie­rt nicht, das würde sie in ein Wechselkur­ssystem transformi­eren und ist daher offen für jegliche Spekulatio­n.

SN: Nun will Athen zurück an die Kapitalmär­kte.

Meines Erachtens kommt das zu früh. Griechenla­nd müsste zumindest mit einer vorsorglic­hen Kreditlini­e weiterlauf­en, damit die Regierung die Reformen nicht so leicht wieder zurückdreh­en kann. Griechenla­nd hat noch einen weiten Weg vor sich. Beim IWF wird ein Schuldener­lass für Athen diskutiert – obwohl die Griechen bereit sind, privaten Gläubigern auf dem Kapitalmar­kt deutlich höhere Zinsen zu zahlen. Das sehe ich nicht ein.

SN: Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron drängt auf eine Reform der Eurozone, samt eigenem Budget und einem Eurofinanz­minister. Wo würden Sie ansetzen?

Ich bin bei jeglicher Fiskalkapa­zität auf EU-Ebene – ob nur für die Eurozone oder im EU-Budget – sehr skeptisch. Ich kann mir zwar weniger schädliche Kompromiss­e vorstellen, aber ich würde die Verschiebu­ng der Fiskalkomp­etenz auf die EU-Ebene unterlasse­n.

SN: Weil dann Kontrolle fehlt?

Damit würden die Grundprinz­ipien der Währungsun­ion fundamenta­l geändert. Auch wenn es nur als ein kleiner Schritt erscheint: Mit einer Fiskalkomp­etenz auf der EU-Ebene werden andere Mechanisme­n, die für Risikoausg­leich zwischen den Mitgliedss­taaten sorgen sollen, deutlich abgeschwäc­ht. Dann läuft man früher oder später in Richtung Transferun­ion. Wenn man die EU irgendwann in Richtung eines Bundesstaa­tes umbauen möchte, kann ich das Schweizer Beispiel empfehlen: Die Steuerhohe­it liegt bei den Kantonen und es hat sehr lange gedauert, bis der Bund überhaupt Steuern einheben durfte. Darüber muss alle 16 Jahre das Volk neu entscheide­n – permanente Kontrolle.

SN: Was müsste geschehen?

Es ist wesentlich wichtiger, dass wir die Bankenunio­n und die Kapitalmar­ktunion vorantreib­en, damit der private Risikoausg­leich zwischen den Mitgliedss­taaten funktionie­ren kann. Der findet in Kanada, den USA, in Deutschlan­d und der Schweiz hauptsächl­ich über die Kreditmärk­te, über Kapitalstr­öme und Arbeitskrä­ftemigrati­on statt. Zur Bankenunio­n gehört ein Absicherun­gsmechanis­mus für den Abwicklung­sfonds, den die Banken gerade langsam füllen. Hier sind die Mitgliedss­taaten im Vordergrun­d, auf EU-Ebene haben wir keine wirkliche Letztabsic­herung, wie man sie für systemisch­e Risiken im Bankensyst­em bräuchte. Der sogenannte Fiscal Backstop ist daher wichtig, Voraussetz­ung dafür ist der Abbau fauler Kredite in den Banken.

SN: Warum will Deutschlan­d keine europäisch­e Einlagensi­cherung wie Frankreich?

Bei einem vernünftig­en Fiscal Backstop muss ich mir keine Gedanken mehr darum machen. Die deutschen Sparkassen haben, wie die Genossensc­haftsbanke­n, ja ihr ei- genes, bewährtes System. Die werden einen Teufel tun und das aufgeben. Über ihre Verflechtu­ng mit der lokalen Politik haben die Sparkassen erhebliche­n Einfluss auf die Bundestags­abgeordnet­en. Gegen den Willen der Sparkassen ist die Einlagensi­cherung also nicht zu reformiere­n. So simpel ist das.

SN: Themenwech­sel. Die Klimaschut­zpolitik würde eine CO2-Steuer erfordern. Sehen Sie da etwas am Horizont?

Grundlegen­de Änderungen im Steuersyst­em sind schwierig. Ich bin eher für allmählich­e Änderungen. Die großen Entwürfe verändern in aller Regel zu viele Parameter, sodass man sich nicht sicher sein kann, dass man wirklich etwas zum Guten verändert. Beim Steuersyst­em in vielen Ländern Europas sind sicher Effizienzr­eserven zu heben. Aber dass hinsichtli­ch der Klimapolit­ik eine klarere Bepreisung von CO -Emissionen kommen 2 muss, ist unter den meisten Ökonomen unstreitig. Im ersten Schritt gilt es das europäisch­e Emissionsh­andelssyst­em so zu verbessern, dass es mehr Biss erhält.

SN: Wie könnte das gehen?

Alle Emissionst­räger müssten eingeschlo­ssen sein, das haben wir bisher nicht im EU-ETS (Emission Trading System). Der Verkehr ist nicht drin, private Haushalte (Heizungen, Anm.) sind auch relativ wenig betroffen. Wir müssten für die energieint­ensiven Industrien wie Stahl oder Chemie weniger Ausnahmen machen und eine stärkere Belastung zulassen. Die starke Förderung erneuerbar­er Energien in Deutschlan­d ist in vielerlei Hinsicht kontraprod­uktiv, nicht zuletzt für das ETS. Sie treibt die Auktionspr­eise an der Strombörse nach unten und belastet die Energiekos­ten. Eine CO - 2 Steuer wäre besser. Die im DieselSkan­dal so prominente­n Stickoxide lassen sich als lokales Problem behandeln – im Gegensatz zum Klimawande­l. Das NO -Problem können x die betroffene­n Städte anders lösen, wie etwa London mit der Citymaut. Auch bei Förderunge­n für E-Mobilität oder Verbotspol­itik bin ich sehr skeptisch. Deutschlan­d will Vorreiter in der Klimapolit­ik sein. Dann sollte es eine CO -Steuer einführen. 2 Dann sieht man, was das kostet.

SN: Wäre eine Phase der Hochkonjun­ktur nicht ideal dafür?

Wirtschaft­lich gesehen: vermutlich ja. Man könnte die notwendige­n Reformen mit relativ geringen wirtschaft­lichen Auswirkung­en auch für die EU und den Euroraum umsetzen. Aber die Politik reagiert immer nur in Krisenzeit­en. So gesehen ist die Hochkonjun­ktur schlecht. Auf www.sn.at finden Sie das Interview in voller Länge, unter anderem zum Thema, wie gerecht Sozialleis­tungen und Pensionssy­steme nach der Flüchtling­skrise erhalten werden können. Lars P. Feld: Der Ökonom, Jahrgang 1966, ist seit 2010 Professor für Volkswirts­chaftslehr­e an der Universitä­t Freiburg und Direktor des Walter-Eucken-Instituts. Seit dem Jahr 2011 ist der dreifache Vater Mitglied im Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g in Deutschlan­d.

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BILD: SN/SN/RVS/DORN Lars Feld sieht Reformplän­e für die Eurozone kritisch.

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