Landeshauptleute regieren mit breiter Brust
Eine türkis-blaue Regierung bedeutet nicht automatisch Verluste für diese Parteien bei Regionalwahlen. Sie sind sogar stärker geworden.
Nach der Angelobung der neuen Bundesregierung war der Aufschrei groß. Sozialdemokraten, die verbliebenen Grünen, linke Organisationen, aber auch kirchliche Hilfseinrichtungen protestierten gegen den Umgang mit Flüchtlingen, den 12-Stunden-Arbeitstag, die Abschaffung der Gebietskrankenkassen, die Kürzung der Mindestsicherung und vieles mehr. Ein Kalkül der Empörten: Spätestens bei den Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg werde den Regierungsparteien die Rechnung für ihre rechte Politik präsentiert werden.
Das Gegenteil ist eingetreten. Die schwarzen Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner, Günther Platter und zuletzt Wilfried Haslauer konnten ihre ohnehin schon starken Positionen behaupten oder sogar kräftig ausbauen. Selbst im sozialdemokratischen Kernland Kärnten gab es ein leichtes Plus für die Schwarzen. Die Freiheitlichen straften alle Lügen, die davon ausgegangen sind, dass es nach einer FPÖ-Regierungsbeteiligung im Bund mit der Partei bei Regionalwahlen automatisch bergab gehen müsse. Die Theorie geht davon aus, dass eine einst polternde Protestpartei wie die FPÖ bei ihren Fans unten durch sei, sobald sie verantwortungsvolle Regierungspolitik betreiben müsse. Doch wie so oft im Leben klaffen Theorie und Praxis weit auseinander. Bei allen vier Landtagswahlen konnten die Blauen zulegen. Das Trauma von Knittelfeld im Jahr 2002 scheint überwunden. Damals hat die Angst vor Wahlniederlagen infolge allzu pragmatischer Regierungspolitik zum Bruch innerhalb der FPÖ und zur Beinahe-Zerstörung der Partei geführt.
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache besteht dennoch kein Grund zur ungetrübten Freude. Die wiedergewählten Landeshauptleute steigen ab sofort mit breiter Brust in die föderale Kampfarena. Wogegen eben noch die rote Opposition gewettert hat, sind jetzt auch Schwarze skeptisch: Wer zahlt den Ländern den Ausfall aus dem Pflegeregress? Die Selbstverwaltung und die Regionalität der Krankenkassen müssen erhalten bleiben! Das Rauchen in Restaurants gehört verboten.
Richtig ans Eingemachte geht es bei der angekündigten Bundesstaatsreform. Sie kann gelingen, wenn die Regierung mit den Landeshauptleuten auf Augenhöhe verhandelt. Keine vertrauensbildende Maßnahme ist es, wenn der Bund den Ländern Zeit einräumt, um eine Reform der Mindestsicherung zu erarbeiten, sie dann aber über Nacht selbst verordnen will.