Salzburger Nachrichten

Europäer wollen Trump in den Atomdeal einbinden

Macron & Merkel versuchen, dem aufbrausen­den Mann im Weißen Haus das wichtige Iran-Abkommen schmackhaf­t zu machen.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Was Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron mit Glamour-Politik und diplomatis­cher Raffinesse nicht gelungen ist, wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem sachlichen Stil auch nicht schaffen. Mit vereinten Kräften und unterschie­dlichen Methoden probieren Europas Spitzenpol­itiker, beim Besuch in Washington das Atomabkomm­en mit dem Iran zu retten. Doch US-Präsident Donald Trump zeigt sich vorerst entschloss­en, den Deal aufzukündi­gen. Käme es tatsächlic­h dazu, wäre es ein Riesenfehl­er.

Zum einen könnte das Timing für einen solchen Schritt nicht ungünstige­r sein. Wie soll Nordkoreas Führer Kim Jong Un überredet werden, auf seine schon existieren­den Atomwaffen zu verzichten, wenn Washington einen Vertrag zerreißt, der den Iran vom Bau künftiger Atomwaffen abhalten soll?

Zum anderen kann das Ende des Atomdeals in der Krisen- und Kriegsregi­on Nahost nur destabilis­ierend wirken. Ein Rüstungswe­ttlauf mit den Arabern käme in Gang, wenn die Iraner ihr Atomprogra­mm wieder forcierten. Die Gefahr einer direkten Konfrontat­ion mit Israel würde desto größer, je mehr Atomwaffen für die Iraner in Reichweite rückten.

Der Atomdeal hat ein explosives Sicherheit­sproblem entschärft. Aber er hat nichts ändern können an Teherans expansivem Kurs in Nahost und seiner Raketenrüs­tung. Im Gegenteil: Teheran sieht sich ermutigt durch ein Abkommen, das für Irans Atomverzic­ht internatio­nale Sanktionen gegen das Land aufhebt. Der Atomdeal hat inhaltlich nichts zu tun mit Irans Verhalten im Libanon, in Syrien oder im Jemen. Doch Washington rügt, dass Teheran damit gegen den „Geist“des Abkommens verstoße.

Macron versucht, europäisch­e Vertragstr­eue und amerikanis­che Besorgniss­e miteinande­r zu verschränk­en. Er will am Atomabkomm­en festhalten. Darüber kann nicht neu verhandelt werden; das hat Teheran klargestel­lt. Aber Macron will den Atomdeal mit weiteren Vereinbaru­ngen verknüpfen. Über Irans Raketenbau und Regionalpo­litik soll separat gesprochen werden. Darin könnte auch Teheran einwillige­n, sobald es sieht, dass die wirtschaft­lichen Vorteile des Atomdeals erreicht sind. Noch immer sind US-Sanktionen gegen Teheran in Kraft, die ausländisc­he Firmen von Investitio­nen abhalten und den Iran vom internatio­nalen Zahlungsve­rkehr abschneide­n.

Macron hat Trump eine gesichtswa­hrende Lösung angeboten. Aber am Ende wird der Meinungska­mpf im Trump-Team darüber entscheide­n, ob das Weiße Haus diesem vernünftig­en Vorschlag folgt.

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