Umbau bei laufendem Betrieb
Wie Michael Ludwig die SPÖ Wien erneuern will, ohne am 1. Mai ausgepfiffen und bei der Bürgermeisterwahl vom Wahlzettel gestrichen zu werden.
Michael Häupl ist ziemlich genau so lange Bürgermeister von Wien, wie Österreich EU-Mitglied ist. Diese Woche war er ein letztes Mal in dieser Funktion in Brüssel, zog eine positive Bilanz über diese 24 Jahre, redete über den Vertrag von Lissabon, das Mitspracherecht der Gemeinden und die Daseinsvorsorge für die Bürger.
Weniger feierlich ging es zur gleichen Zeit in Häupls Heimatstadt Wien zu, wo der designierte HäuplNachfolger Michael Ludwig erste Markierungen setzt. Mit seinen Ankündigungen (Mindestsicherung erst nach einer Wartefrist; Gemeindewohnung-Vergabe vorrangig für jene, die schon länger in Wien leben; Alkoholverbot am Praterstern) punktete der neue Parteichef zwar bei etlichen Wählern und beim Zeitungsboulevard. Nicht aber bei seinem grünen Koalitionspartner und beim linken Flügel der SPÖ, die Ludwigs populär-populistische Aktionen mit Argwohn beäugen.
Bei alledem darf sich Ludwig nicht allzu weit hinauslehnen. Denn seine Wahl zum Bürgermeister durch den Wiener Gemeinderat steht noch bevor. In diesem Gremium haben SPÖ und Grüne nur 54 von 100 Sitzen – ein paar Streichungen bei der Wahl, und Ludwig ist als Bürgermeister gescheitert, noch ehe er sein Amt angetreten hat.
Um diese Blamage (und ein mögliches Pfeifkonzert beim Aufmarsch am 1. Mai) zu vermeiden, muss Ludwig auch bei der Zusammensetzung seines Teams mit Bedacht vorgehen. Erleichtert wird ihm dies durch den Umstand, dass ein Gutteil jenes Rathaus-Personals, das auf Ludwigs Abschussliste steht, den freiwilligen Abgang vorzieht. Die umstrittene Sozial- und Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger hat ebenso ihren Abschied angekündigt wie Kultur- und Sportstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Rathaus-Klubchef Christian Oxonitsch. Was für Ludwig den unbestreitbaren Vorteil hat, dass er diese innerparteilichen Gegner nicht erst feuern muss. Vor dem Abgang steht, wie man hört, auch Landtagspräsident Harry Kopietz – einer der engsten Gefolgsleute des scheidenden Bürgermeisters Michael Häupl, der seinerzeit für Ludwigs Gegenkandidaten Andreas Schieder eingetreten war.
Dazu kommen sachliche Probleme. Ludwig will unbedingt eine neue Stadtstraße im schnell wachsenden Bezirk Donaustadt (mit 185.000 Einwohnern deutlich größer als die Stadt Salzburg) realisieren; auch die seit Jahren verzögerte sechste Donauquerung für den KfzVerkehr inklusive Lobau-Tunnel soll, wenn es nach Ludwig geht, endlich errichtet werden; die dritte Startbahn für den Flughafen Schwechat sowieso. Gegen alle diese Projekte gibt es erheblichen Widerstand des grünen Koalitionspartners.
Dass sich der grüne RathausKlubchef David Ellensohn am Donnerstag in einem APA-Interview lautstark über Ludwigs jüngste Maßnahmen (vor allem das Alkoholverbot am Praterstern) beklagte und den künftigen Bürgermeister davor warnte, einen „blau-roten Niessl-Kurs“einzuschlagen, dürfte die Vertrauensbasis zwischen Rot und Grün nicht stabilisiert haben. Schon machen Gerüchte die Runde, dass Ludwig die Wiener bereits in diesem Herbst und nicht erst 2020 zu den Urnen rufen könnte. Er würde damit die Grünen, die noch nicht einmal wissen, ob die umstrittene Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou nochmals antreten wird, in einer Schwächephase erwischen. Und auch die Freiheitlichen stehen in Wien momentan auf dem falschen Fuß, ist doch ihr ewiger Bürgermeisterkandidat Heinz-Christian Strache ins Vizekanzleramt entschwunden. Die Chancen für die SPÖ, Stimmen von den Grünen und der FPÖ zurückzuholen, stehen derzeit also besser denn je.