Salzburger Nachrichten

Österreich baut beim Datenschut­z um

Fast unbemerkt haben ÖVP und FPÖ die Auswirkung­en der neuen EU-Datenschut­zverordnun­g abgeschwäc­ht. Die Wirtschaft freut sich, Datenschüt­zer protestier­en. Doch müssen Unternehme­n nun wirklich keine Strafen mehr fürchten?

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WIEN. Bereits am Freitag beschloss das Parlament weitreiche­nde Änderungen des Datenschut­zgesetzes. Doch erst Tage später kam die Welle der Empörung. Und zwar auf dem Umweg über Deutschlan­d: Das deutsche Onlinemaga­zin „Heise“titelte: „Österreich zieht dem neuen Datenschut­z die Zähne“– und brachte damit die Welle ins Rollen.

Der Hintergrun­d: Am 25. Mai wird EU-weit die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) in Kraft treten. Dazu musste das entspreche­nde österreich­ische Datenschut­zgesetz adaptiert werden. Die Änderungen, die am Freitag mit Stimmen von ÖVP und FPÖ beschlosse­n wurden, führen dazu, dass der Datenschut­z in Österreich merklich lockerer sein wird, als es die EU eigentlich vorsieht. Eine Bestrafung von öffentlich­en und privaten Stellen mit gesetzlich­em Auftrag ist ebenso wenig vorgesehen wie die Möglichkei­t einer Doppelbest­rafung durch zwei verschiede­ne Verwaltung­sbehörden. Zudem wurden die Beschränku­ngen für Videoüberw­achung in vielen Punkten gelockert. Und neben Ausnahmen für Medien kamen welche für Spione hinzu – auch für ausländisc­he, wenn diese im Auftrag Österreich­s arbeiten. Teilweise waren diese Änderungen schon länger bekannt. Was neu ist und nun kritisiert wird: Das künftige Gesetz rät der Datenschut­zbehörde, Unternehme­n vorerst abzumahnen, anstatt Strafen auszustell­en. Datenschüt­zer sehen darin eine „Verwässeru­ng“der Datenschut­z-Grundveror­dnung.

Auch die Vorgehensw­eise von ÖVP und FPÖ stört sie. Ursprüngli­ch waren sogar Verfassung­sänderunge­n im Datenschut­zbereich vorgesehen. Die notwendige Zweidritte­lmehrheit kam aber nicht zustande. Die SPÖ hatte zunächst ihre Unterstütz­ung zugesagt, lehnte die Änderungen dann aber doch ab. Daraufhin erstellten die Regierungs­parteien einen neuen Abänderung­santrag, der weitere Lockerunge­n beinhaltet­e. Dafür wurden die verfassung­srelevante­n Passagen herausgeno­mmen – und der Antrag konnte mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ angenommen werden.

Eva-Maria Himmelbaue­r, Nationalra­tsabgeordn­ete der ÖVP, hat den Abänderung­santrag eingebrach­t. Sie betont, dass es den Regierungs­parteien um die kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n gehe: „Wir haben das Gesetz nicht aufgeweich­t, sondern versucht, den Datenschut­z des Einzelnen mit der Rechtssich­erheit der Unternehme­n in Einklang zu bringen“, sagt Himmelbaue­r im SN-Gespräch. Vor allem kleine Unternehme­r hätten Bedenken zur DSGVO geäußert. Die Änderungen seien im Einklang mit der EU-Verordnung.

Ganz anders sieht das die SPÖ: „Wir stehen jetzt vor der Malaise, dass wir ein neues Grundrecht haben, das der DSGVO widerspric­ht“, sagt Peter Pointner. Der stellvertr­etende Klubdirekt­or und Verfassung­sreferent der SPÖ geht davon aus, dass es Probleme mit Brüssel geben werde. Spätestens wenn dem ersten Betroffene­n sein DSGVO-Recht aufgrund der nationalen Änderungen verwehrt werde, werde sich der EuGH damit befassen müssen. Auch die SPÖ werde mit Rechtsprof­essoren „die Situation genau analysiere­n und Schritte prüfen“. Deshalb würde Pointner keine Wette annehmen, dass die neuen Bestimmung­en ewig halten.

Vor allem die Vorgabe, „insbesonde­re von Verwarnung­en Gebrauch zu machen“, geht der SPÖ zu weit. Die eigentlich in der DSGVO verankerte Abwägung im Einzelfall sei so kaum noch möglich.

Andrea Jelinek, Leiterin der unabhängig­en österreich­ischen Datenschut­zbehörde, sieht das anders. Auf SN-Anfrage betont sie, dass man trotz der Neuregelun­g „jeden Fall als Einzelfall“betrachten werde. Kurios könnte die Situation für Jelinek selbst werden. Läuft alles nach Plan, wird sie ab 25. Mai noch Leiterin des European Data Protection Boards, des neu geschaffen­en EU-Gremiums für Datensiche­rheit – und muss so auf europäisch­er Ebene anderen Vorgaben folgen als bei ihrer Tätigkeit in Österreich.

Auch für den Salzburger Anwalt und IT-Sachverstä­ndigen Peter Harlander ist die Aufregung übertriebe­n: „Die Datenschut­zbehörde kann weiterhin beim ersten Mal eine Strafe verhängen. Das Gesetz rät halt dazu, die Unternehme­n beim ersten Mal abzumahnen. Aber ein Freifahrts­schein ist das nicht. Es liegt immer noch im Ermessen der Datenschut­zbehörde.“

Über die Änderungen ärgert sich der Salzburger Datenschüt­zer Max Schrems. Er spricht von einem „schwarzen Tag für den Datenschut­z“. Wohl auch deshalb, weil ihm künftig die Arbeit erschwert wird: Wenn Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n wie jene von Schrems im Namen von einzelnen Betroffene­n vor Gericht ziehen, können die Organisati­onen nun doch keinen Schadeners­atz fordern.

Erfreut zeigt sich freilich die Wirtschaft­skammer: Durch Beratung und Mahnen statt Strafen würde den Unternehme­n die Angst vor hohen Geldbußen genommen, heißt es in einer Aussendung.

Können sich Firmen also nun entspannt zurücklehn­en? So einfach sei es nicht, sagt Peter Harlander: „Ein Unternehme­n, das sich Mühe beim Datenschut­z gibt, muss sich nicht vor hohen Strafen fürchten. Ein Unternehme­n, dem Datenschut­z egal ist, aber sehr wohl.“

„Wir werden jeden Fall als Einzelfall betrachten.“ Andrea Jelinek, Leiterin Datenschut­zbehörde

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BILD: SN/FOTOLIA, MONTAGE: DOPSCH Die EU-weite Datenschut­zverordnun­g, die am 25. Mai in Kraft tritt, bleibt eine Baustelle.

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