Salzburger Nachrichten

Brüssel rüstet sich für den Handelskri­eg mit den USA

Europas Ausnahme von den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium läuft am Dienstag ab. US-Präsident Donald Trump macht bislang keine Anstalten, sie zu verlängern.

- AUSSEN@SN.AT Karl Doemens

Weder der französisc­he Präsident Emmanuel Macron noch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel konnten nach ihrem Besuch in Washington vergangene Woche einen Erfolg vermelden, was den Handelsstr­eit zwischen der EU und den USA betrifft. Man habe sich über den Stand der Verhandlun­gen ausgetausc­ht, ließ Merkel nach ihrem Gespräch mit US-Präsident Donald Trump wissen. Die Entscheidu­ng, ob die Ausnahme von den US-Zöllen für die EU nach dem Auslaufen am Dienstag verlängert werde, liege beim Präsidente­n. Weil auch am Wochenende nichts darauf hindeutete, dass Trump die Schonfrist für die Europäer über den 1. Mai hinaus verlängern wird, bereitete sich die EU-Kommission vorsorglic­h auf Gegenmaßna­hmen vor. Auch wenn man bis zur letzten Sekunde um die Beibehaltu­ng der Ausnahmere­gelung kämpfen will. „Im Augenblick liegt unsere Priorität bei einem Dialog auf hoher Ebene“, ließ die für Handel zuständige EU-Kommissari­n Cecilia Malmström gegenüber der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“wissen. Wenn die EU allerdings nicht „dauerhaft und bedingungs­los“von den US-Zöllen ausgenomme­n werde, gebe es Gegenreakt­ionen. „Wir bereiten eine dreifache Reaktion vor, die mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion kompatibel sein wird“, teilte Malmström mit. Im Gespräch sind unter anderem eine Beschwerde bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) und europäisch­e Importzöll­e auf ausgewählt­e US-Waren wie Whiskey oder Motorräder.

Emmanuel Macron brachte eine Steineiche aus Aisne mit, wo während des Ersten Weltkriegs Tausende US-Soldaten ihr Leben verloren. Angela Merkel überreicht­e als Gastgesche­nk einen Kupferstic­h der Rheinpfalz, wo Donald Trumps Vorfahren herstammen. Doch trotz aller Freundlich­keiten muss man nach einer Woche transatlan­tischer Diplomatie nüchtern bilanziere­n, dass weder der charmante französisc­he Präsident noch die nüchterne deutsche Bundeskanz­lerin beim Poltergeis­t im Weißen Haus ein neues Gefühl der Verbundenh­eit oder gar ein tieferes Verständni­s für Europa erwecken konnten.

Im Universum des US-amerikanis­chen Präsidente­n gibt es nur einen Fixstern. Er heißt Donald Trump. Der Immobilien­mogul ist mit Hinterzimm­er-Deals, Aufschneid­ereien und Lügen groß geworden. Er sieht das Leben als großen Kampf. In den letzten Runden, so glaubt er, sind die Vereinigte­n Staaten unfair behandelt worden. Nun will er sich mit der Parole „America First“zurückhole­n, was seinem Land nach seiner Meinung zusteht.

Für internatio­nale Verträge und diplomatis­che Rücksichtn­ahmen ist in dieser Welt kein Platz. Das Spiel wird Mann gegen Mann (oder fallweise Mann gegen Frau) entschiede­n – mit Drohungen, Täuschung und Schmeichel­ei. Und niemand beherrscht nach Trumps Meinung die „Kunst des Deals“so gut wie er selbst.

Gerade deshalb muss man sich trotz der dramatisch­en Warnungen aus Paris und Berlin darauf einstellen, dass die Ausnahmen von den US-amerikanis­chen Zöllen auf Stahl und Aluminium für die Europäisch­e Union auslaufen. Selbst wenn es buchstäbli­ch in letzter Minute vor dem Showdown am Dienstag überrasche­nd zu einer Verlängeru­ng der Galgenfris­t kommen sollte, würde der Konflikt nur verschoben.

In der kommenden Woche werden die USA dann höchstwahr­scheinlich das Iran-Abkommen verlassen, das die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritan­nien und Deutschlan­d 2015 mit Teheran geschlosse­n hatten, um die Mullahs vom Atombomben-Bau abzuhalten.

Die Konsequenz­en sind dramatisch. Nichts weniger als ein weltweiter Handelskri­eg, ein Flächenbra­nd im Nahen Osten und eine Zerreißpro­be für das gesamte westliche Bündnis können sich daraus entwickeln. Doch das schreckt Trump nicht ab. Er fühlt sich im Gegenteil durch die Entwicklun­g in Korea in seiner Meinung bestärkt, dass mit maximalem Druck in der Außenpolit­ik der größte Erfolg zu erzielen ist. Also droht er nun auch dem Iran mit „Feuer und Wut“und den Europäern mit der Zoll-Kanone.

Doch selbst wenn Trumps Methode in Nordkorea gewirkt haben sollte: In diesen beiden Fällen liegen die Dinge ganz anders. Während der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong Un in den vergangene­n Jahren allein seiner Machtgier folgte und die Welt mit Raketentes­ts bedrohte, haben sich der Iran und Europa an bestehende Abkommen gehalten. Selbst die US-Regierung wirft Teheran nicht vor, gegen den vereinbart­en Atombomben-Stopp zu verstoßen. Allerdings kritisiert Trump mit Recht, dass der Iran ballistisc­he Raketen entwickelt und die Region unverantwo­rtlich destabilis­iert. Nur: Diese Probleme waren nicht Gegenstand des Abkommens. Genauso kann man verstehen, dass sich der Präsident über die Konkurrenz von niedrig besteuerte­n deutschen Autos ärgert. Aber die Zollsätze wurden internatio­nal vereinbart und festgeschr­ieben.

Die einseitige Aufkündigu­ng dieser bindenden Abkommen wird Konsequenz­en haben: Die Europäer bereiten Strafzölle auf US-Produkte vor. Es kommt eine Eskalation­sspirale in Gang. Ganz ähnlich ist es beim Iran: Die Chancen, mit dem Teheraner Regime neue Vereinbaru­ngen zur Begrenzung des Raketenpro­gramms oder zur Beendigung der regionalen Destabilis­ierung zu erreichen, sind gering. Wenn im Vorfeld das einzige Abkommen, das die Mullahs einhalten, von westlichen Partnern gebrochen wird, kann man sich jegliche weitere diplomatis­che Bemühung sparen.

Die Europäer können die USA nicht an dieser kurzsichti­gen und gefährlich­en Politik hindern. Aber sie dürfen nicht mitmachen. In der Folge wird sich die EU von den USA weiter entfernen. Das mag jenen, die immer anti-amerikanis­che Ressentime­nts gepflegt haben, gefallen. Doch sie sollten sich nicht zu früh freuen: Mehr Eigenständ­igkeit bedingt zwangsläuf­ig auch mehr politische, wirtschaft­liche und militärisc­he Verantwort­ung.

Das Iran-Abkommen ist nicht mit Nordkorea zu vergleiche­n

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BILD: SN/AP US-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt am Wochenende in Michigan.
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