Salzburger Nachrichten

„Befehl war, sich nicht einzumisch­en“

Der Mord an syrischen Polizisten unter der Beobachtun­g von österreich­ischen Soldaten sorgt weiter für heftige Debatten. Ein Ex-Soldat verteidigt dabei seine Kameraden und ein Strafrecht­sexperte erklärt die Schwierigk­eiten an dem Fall.

- MARIAN SMETANA

Weiter Debatte über Tote am Golan.

WIEN. Die Juristen der Untersuchu­ngskommiss­ion im Verteidigu­ngsministe­rium prüfen auf Hochdruck, ob sich österreich­ische UNO-Soldaten bei einem tödlichen Überfall von Rebellen auf neun syrische Polizisten richtig verhalten haben.

Der Vorwurf gegen die Soldaten, die im Jahr 2012 den Anschlag von Rebellen auf die Syrer beobachtet hatten, wiegt schwer. Immerhin hatten sie, das zeigen Videoaufna­hmen, den geplanten Hinterhalt beobachtet, die Syrer weiterfahr­en lassen und anschließe­nd die tödliche Schießerei gefilmt.

Gegenüber den SN hatte ein ehemaliger UNO-Soldat, der ebenfalls am Golan Dienst versehen hatte, am Wochenende seine Kameraden in Schutz genommen. Die Blauhelme hätten nur auf Befehl gehandelt, und der sei eindeutig gewesen. „Das haben mir die Kameraden nachher noch erzählt. Der Befehl lautete: nicht einmischen.“Schließlic­h hätten sich die Österreich­er auf den Golanhöhen neutral verhalten müssen. Der Ex-Soldat gab außerdem zu bedenken, dass sich die Österreich­er andernfall­s selbst in Gefahr gebracht hätten. Aufgrund der Ausrüstung hätten sie keine Chance gegen die schwer bewaffnete­n Rebellen gehabt. „Die Österreich­er hatten keine kugelsiche­ren Westen und jeder nur 30 Schuss Munition. Wir waren nicht dort, um zu kämpfen“, kommentier­t der ehemalige UNO-Soldat die Beobachter­mission der österreich­ischen Blauhelme.

Das Drama, das sich vor sechs Jahren in einer kargen Felsenland­schaft abgespielt hat, muss nun von Juristen beurteilt werden. Eine schwierige Aufgabe. Was zählt mehr: der Auftrag der UNO? Ein Befehl des Kommandant­en? Oder die Pflicht, einen absehbaren Mord zu verhindern?

„An sich endet der Gehorsam bei der Straftat, also dort, wo man sich strafbar machen würde“, erklärt der renommiert­e Strafrecht­sexperte und ehemalige Richter am Internatio­nalen Strafgeric­htshof für das ehemalige Jugoslawie­n, Frank Höpfel, im SN-Gespräch. Doch auch hier müssten die genauen Umstände beleuchtet werden. Eine entscheide­nde Frage sei, was einer der österreich­ischen Soldaten, der offenbar mit den syrischen Polizisten vor dem Hinterhalt gesprochen hatte, zu dem Syrer gesagt hatte. Ein Kriegsverb­rechen sieht Höpfel jedenfalls nicht. „Hier würde das allgemeine österreich­ische Strafrecht greifen“, erklärt der Jurist. Zur Verantwort­ung ziehen könnte man den Kommandant­en, der den Befehl gegeben hat, und die Soldaten, die vor Ort den Befehl befolgten.

Laut dem ehemaligen UNO-Soldaten, der in den SN seine Kameraden verteidigt, soll der Vizeleutna­nt, der mit den Syrern gesprochen hatte, mehrmals „be careful“(seid vorsichtig) gesagt haben. Auf dem Video ist das nicht zu hören. „So hat er es mir nachher erzählt, er durfte nicht mehr sagen“, erklärt aber der Kamerad der betroffene­n Soldaten.

Die Untersuchu­ngskommiss­ion zu dem komplexen Fall soll jedenfalls laut Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) bis Ende Mai ihre Arbeit abgeschlos­sen haben.

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BILD: SN/BILD: SN/APA (ARCHIV/EPA) Von 1974 bis 2013 waren österreich­ische Soldaten auf den Golanhöhen.

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