Salzburger Nachrichten

Retten wir die Unabhängig­keit des ORF! Welche Unabhängig­keit?

Der staatliche Rundfunk unterschei­det sich von den unabhängig­en Medien in einem entscheide­nden Punkt.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

Angesichts der Kritik der FPÖ am ORF sorgen sich derzeit viele Menschen um die Unabhängig­keit des Senders. Tatsächlic­h ist eine unabhängig­e, von politische­n Einflüssen freie Berichters­tattung des staatliche­n Rundfunks ein hehres, unbedingt anstrebens­wertes Ziel. Aber wie erreicht man es?

Man muss die ORF-Journalist­en nur tun lassen, was sie für journalist­isch richtig halten, dann ist die Unabhängig­keit der Berichters­tattung garantiert, lautet die gängige Antwort. Ein kleines Gedankenex­periment zeigt freilich, dass das nicht ganz stimmen kann.

Angenommen, in den Redaktione­n des ORF säßen aus irgendwelc­hen Gründen ausschließ­lich schlagende Burschensc­hafter. Wäre dann dadurch, dass man ihnen freie Hand ließe, das zu tun, was sie für richtig halten, eine unabhängig­e Berichters­tattung garantiert?

Wohl kaum. Das heißt, zur Unabhängig­keit eines Mediums braucht es zweierlei: erstens frei und ungehinder­t arbeiten könnende Journalist­en. Und zweitens – das ist mindestens genauso wichtig – eine von parteipoli­tischen Einflüssen unabhängig­e und sich ausschließ­lich an der Qualität der Bewerber orientiere­nde Besetzung der Posten.

Dass der ORF diese zweite Anforderun­g nicht erfüllt, ist allgemein bekannt. Um zu wissen, wie die Postenverg­abe am Küniglberg und in den Landesstud­ios vor sich geht, muss man nur die Berichte über eine x-beliebige Generaldir­ektor-Wahl nachlesen.

Da werden im ORF-Stiftungsr­at, wo sich die Parteien aus Tarnungsgr­ünden „Freundeskr­eise“nennen, Personalpa­kete geschnürt, die nicht nur die oberen Führungseb­enen umfassen, sondern bis weit in die Redaktione­n reichen. Wer im ORF das Sagen hat, wird also direkt von den Parteien entschiede­n. Sie besetzen übrigens auch den Publikumsr­at. Dass es „Freundeskr­eis“-Mitglieder gibt, die dennoch von einer Unabhängig­keit des ORF reden, ohne rot zu werden, ist eine Leistung.

Als 2017 die Große Koalition zerbrach und Neuwahlen angesetzt wurden, war gerade eine Organisati­onsreform des ORF im Anlaufen. Sofort wurde die Reform und die damit verbundene Postenverg­abe vom Generaldir­ektor gestoppt, denn als erfahrener Personalpa­ketSchnüre­r wusste er: Nach der Wahl könnte es neue politische Mehrheitsv­erhältniss­e geben, und diese müssten im ORF ihren Niederschl­ag finden. Also hieß es warten.

Nun haben sich die Mehrheitsv­erhältniss­e tatsächlic­h geändert, und die FPÖ fordert jetzt einen Anteil an den Posten und Einflussmö­glichkeite­n im ORF. Das mag ärgerlich sein. Noch viel ärgerliche­r ist es, dass die Postenverg­abe im ORF insgesamt nicht so erfolgt, wie das bei unabhängig­en Medien üblich ist.

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