Bosch gewinnt immer
Die Gemäldegalerie setzt mit neuer Kunst Kontraste zum Weltgerichts-Triptychon des alten Niederländers. Ein neuer Versuch.
Es ist eines der künstlerischen Zentren Wiens, ein Must. Zwar ist das „Jüngste Gericht“von Hieronymus Bosch in einem Ausweichquartier wegen Sanierung der Akademie der bildenden Künste, aber auch am neuen Platz im Theatermuseum lässt die Magnetwirkung nicht nach. Dieses Bilderbuchrätsel des Horrors fasziniert nicht nur Sünder, denn denen wollte wohl Bosch (1450/55–1516) einen gehörigen christlichen Schrecken einjagen. In aller Brutalität gequälte menschliche Körper, dazu Mischund Fabelwesen, wie sie Hollywood kaum je erzeugt hat, bilden ein Pandämonium. Das „Weltgerichts-Triptychon“hat wieder neue Nachbarn erhalten, die anlässlich der Ausstellungsreihe „Korrespondenzen“zu sehen sind. Jetzt haben schon andere Meister kaum Chancen, Bosch in der Aufmerksamkeit auszustechen, doch die junge Wiener Künstlerin Anna Hofbauer, Jahrgang 1981, scheint sich so weit als möglich von der altniederländischen Bilderflut abzugrenzen. Fünf Druckgraphiken, schwarz-weiß, mit dünnen Strichen durchzogen, quasi wie eine Art primitiver Kalligraphie, lassen sich nur mit ausufernden Konzeptworten begründen. Wichtiger macht sich schon eine möbelähnliche Holzskulptur von Hofbauer, aufgefächerte Kastenbretter, rohe Rahmen als Überrest einer Sitzgarnitur haben zwar auch nichts mit Bosch zu tun, erzielen aber immerhin Wirkung im mystisch beleuchteten Raum.
Die vermutete Flucht in die Abstraktion hat aber für Anna Hofbauer mehrere Gründe, denn sie sieht die „Korrespondenz“detaillierter. Auf ihren Spaziergängen durch die Wälder hat Hofbauer Fotos angefertigt, die Kontaktbögen sind eine Art Zwischenstation. Denn so wie Bosch Erinnerungen weckt, transzendiert Hofbauer ihre Kontaktabzüge zu Zeichnungen, die wiederum in Steinplatten geritzt werden. Per Stempeldruck kommen die reduzierten Stiche aufs Papier, das wiederum auf xoder y-förmigen Holzleisten an die Wand kommt oder besser: Abstand von der Wand hält. Ihren Graphiken gibt Anna Hofbauer Titel wie „Bei den Kiefern“, „Nach der Schrift“oder „Im Wald“. Was das mit Hieronymus Bosch zu tun hat? Eher wenig bis gar nichts.
Nach dieser bildnerischen Diät macht der Rundgang durch die Gemäldegalerie Freude. Wie man sich als lebender Künstler an den „alten Meistern“abarbeitet, zeigt im Wandelgang, wo das Kupferstichkabinett Platz gefunden hat, der 1959 geborene Jakob Demus, der quasi in Ehrfurcht vor den Kunstahnen wenig Kontrapunkte gesetzt hat. Der Gang führt dann zu den Ölbildern, den großen Namen der Kunstgeschichte, von van Dyck zu Rubens, von Tiepolo zu Füger und Tizian. Alle kann man in großer Nähe studieren im Raumangebot des Theatermuseums.
Ausstellung: Bosch und Hofbauer in der Reihe „Korrespondenzen“. Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, derzeit im Theatermuseum. Bis 17. Juni.