Wie die Mode religiös aufgeladen wird
Modetempel, Markenkult und ein Kauferlebnis, bei dem das Begehren zu Gold gemacht wird – die Mode bedient sich vielfach aus dem Repertoire religiöser Kleider und Symbole. Frei nach dem Motto „religion sells“?
Nicht von ungefähr war der Titel des Vortrags mehrdeutig: „Mode und/als Religion“. Die Kunstexpertin Silke Geppert machte damit bei der Katharinafeier an der Theologischen Fakultät Salzburg nicht nur deutlich, wie weitgehend Mode sich religiöser Symbole bedient. Sie zeigte auch auf, wie Mode sich selbst zur Religion stilisiert.
Vom Design über Label- und Markenkult bis hin zum Ritual des Kaufens im „Modetempel“reichen die Anleihen bei der Religion. Und das bereits im 19. Jahrhundert wie ein berühmtes Beispiel in Paris zeigt: Die Grands Magasins du Printemps wurden 1865 in einem Gebäude am Boulevard Haussmann eröffnet, das wie eine barocke Kathedrale von einer großen Kuppel gekrönt ist. Im Warenhaus werde seither das Begehren nach verführerischer Weiblichkeit „zu Gold gemacht“, sagte Geppert. Das sei wie eine „Wandlung“der anderen Art: Fleisch werde in Stoff verwandelt.
Mode bedient sich der Religion, weil sich damit die Bilanzen weltweit in die Höhe treiben lassen. „Die Ökonomie der Aufmerksamkeit muss am Laufen erhalten werden“, sagte Geppert. Sobald ein Label als unverkennbare Marke auf dem Weltmarkt etabliert sei, demonstriere das nicht nur wirtschaftliche Potenz, sondern schaffe eine Kultgemeinde, die dieses Symbol ihrerseits weiter verbreite. Der Nimbus des Heiligen materialisiere sich im Schein des stets Neuen der Mode.
Mode wird damit zum Fetisch. Die Kustodin am MAK Wien und Dozentin für Modetheorie und Modegeschichte an der Universität Mozarteum verwies dazu auf Sigmund Freud. Demnach weise ein Fetisch immer auch auf einen Mangel hin. Im konkreten Fall wäre an einen Mangel an Religion in säkularisierten Gesellschaften zu denken, der durch die religiöse Aufladung der Mode – wie der Popkultur und des Sports – kompensiert würde.
Wie weit die Mode dabei nach dem Gesetz der größtmöglichen Aufmerksamkeit auch Tabus brechen darf, ist je nach Religion unterschiedlich. 1994 ließ Karl Lagerfeld sein Model Claudia Schiffer in einem tief dekolletierten BustierAbendkleid mit silbernen arabischen Schriftzeichen aus dem Koran auftreten. Ähnlich wie bei den Mohammed-Karikaturen im September 2005 ging ein Sturm der Entrüstung durch die muslimische Welt. Boykott-Aufrufe führten fünf Tage später dazu, dass der weltberühmte Designer sich fadenscheinig, aber immerhin entschuldigte. Er habe gemeint, es handle sich um ein Liebesgedicht im Portalschriftzug des Taj Mahal, sagte Lagerfeld.
Alexander McQueen ließ in seinem 1993 gegründeten Modeunternehmen Haare in seine Kollektionen einweben – eine „Haarreliquie“in Anlehnung an den Reliquienkult der katholischen Kirche. Stark aufgeflammt ist die Debatte um religiöse Symbole in der Mode nach dem Terroranschlag 9/11. Walter Van Beirendonck schickte 2008 Männer in bunten Strickburkas auf den Laufsteg. Rick Owens spielte 2009 mit dem Bild der Nonne und zeigte 2010 Mode im „IS-Chic“. Das französische Label Girbaud arbeitete 2010/11 Burkas und Hidschabs zu sportlichen Minikreationen um.
Dass die Aufregung über solche Tabubrüche in der muslimischen Welt meist größer sei als in der christlichen, sieht Geppert unter anderem in der unterschiedlichen Bedeutsamkeit materieller Ausdrucksformen von Religion begründet. Das Heilige erscheine in westlichen Gesellschaften von der Religion emanzipiert. Der Religionssoziologe Thomas Luckmann sprach von der „unsichtbaren Religion“.
Die Katharinafeier an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg wird seit 1990 von Studentinnen, Mitarbeiterinnen und Professorinnen gemeinsam mit der Katholischen Frauenbewegung der Erzdiözese Salzburg vorbereitet. Damit werde, so die Initiatorinnen, feministische Theologie an der Universität Salzburg jedes Jahr sichtbar und neu gedacht.
Die Zeitschrift „Kunst und Kirche“hat einen ausführlichen Beitrag von Silke Geppert unter dem Titel „Mode und/als Religion“in Nr. 02/2016 veröffentlicht. WWW.KUNSTUNDKIRCHE.COM