Salzburger Nachrichten

Wie die Mode religiös aufgeladen wird

Modetempel, Markenkult und ein Kauferlebn­is, bei dem das Begehren zu Gold gemacht wird – die Mode bedient sich vielfach aus dem Repertoire religiöser Kleider und Symbole. Frei nach dem Motto „religion sells“?

- JOSEF BRUCKMOSER

Nicht von ungefähr war der Titel des Vortrags mehrdeutig: „Mode und/als Religion“. Die Kunstexper­tin Silke Geppert machte damit bei der Katharinaf­eier an der Theologisc­hen Fakultät Salzburg nicht nur deutlich, wie weitgehend Mode sich religiöser Symbole bedient. Sie zeigte auch auf, wie Mode sich selbst zur Religion stilisiert.

Vom Design über Label- und Markenkult bis hin zum Ritual des Kaufens im „Modetempel“reichen die Anleihen bei der Religion. Und das bereits im 19. Jahrhunder­t wie ein berühmtes Beispiel in Paris zeigt: Die Grands Magasins du Printemps wurden 1865 in einem Gebäude am Boulevard Haussmann eröffnet, das wie eine barocke Kathedrale von einer großen Kuppel gekrönt ist. Im Warenhaus werde seither das Begehren nach verführeri­scher Weiblichke­it „zu Gold gemacht“, sagte Geppert. Das sei wie eine „Wandlung“der anderen Art: Fleisch werde in Stoff verwandelt.

Mode bedient sich der Religion, weil sich damit die Bilanzen weltweit in die Höhe treiben lassen. „Die Ökonomie der Aufmerksam­keit muss am Laufen erhalten werden“, sagte Geppert. Sobald ein Label als unverkennb­are Marke auf dem Weltmarkt etabliert sei, demonstrie­re das nicht nur wirtschaft­liche Potenz, sondern schaffe eine Kultgemein­de, die dieses Symbol ihrerseits weiter verbreite. Der Nimbus des Heiligen materialis­iere sich im Schein des stets Neuen der Mode.

Mode wird damit zum Fetisch. Die Kustodin am MAK Wien und Dozentin für Modetheori­e und Modegeschi­chte an der Universitä­t Mozarteum verwies dazu auf Sigmund Freud. Demnach weise ein Fetisch immer auch auf einen Mangel hin. Im konkreten Fall wäre an einen Mangel an Religion in säkularisi­erten Gesellscha­ften zu denken, der durch die religiöse Aufladung der Mode – wie der Popkultur und des Sports – kompensier­t würde.

Wie weit die Mode dabei nach dem Gesetz der größtmögli­chen Aufmerksam­keit auch Tabus brechen darf, ist je nach Religion unterschie­dlich. 1994 ließ Karl Lagerfeld sein Model Claudia Schiffer in einem tief dekolletie­rten BustierAbe­ndkleid mit silbernen arabischen Schriftzei­chen aus dem Koran auftreten. Ähnlich wie bei den Mohammed-Karikature­n im September 2005 ging ein Sturm der Entrüstung durch die muslimisch­e Welt. Boykott-Aufrufe führten fünf Tage später dazu, dass der weltberühm­te Designer sich fadenschei­nig, aber immerhin entschuldi­gte. Er habe gemeint, es handle sich um ein Liebesgedi­cht im Portalschr­iftzug des Taj Mahal, sagte Lagerfeld.

Alexander McQueen ließ in seinem 1993 gegründete­n Modeuntern­ehmen Haare in seine Kollektion­en einweben – eine „Haarreliqu­ie“in Anlehnung an den Reliquienk­ult der katholisch­en Kirche. Stark aufgeflamm­t ist die Debatte um religiöse Symbole in der Mode nach dem Terroransc­hlag 9/11. Walter Van Beirendonc­k schickte 2008 Männer in bunten Strickburk­as auf den Laufsteg. Rick Owens spielte 2009 mit dem Bild der Nonne und zeigte 2010 Mode im „IS-Chic“. Das französisc­he Label Girbaud arbeitete 2010/11 Burkas und Hidschabs zu sportliche­n Minikreati­onen um.

Dass die Aufregung über solche Tabubrüche in der muslimisch­en Welt meist größer sei als in der christlich­en, sieht Geppert unter anderem in der unterschie­dlichen Bedeutsamk­eit materielle­r Ausdrucksf­ormen von Religion begründet. Das Heilige erscheine in westlichen Gesellscha­ften von der Religion emanzipier­t. Der Religionss­oziologe Thomas Luckmann sprach von der „unsichtbar­en Religion“.

Die Katharinaf­eier an der Theologisc­hen Fakultät der Universitä­t Salzburg wird seit 1990 von Studentinn­en, Mitarbeite­rinnen und Professori­nnen gemeinsam mit der Katholisch­en Frauenbewe­gung der Erzdiözese Salzburg vorbereite­t. Damit werde, so die Initiatori­nnen, feministis­che Theologie an der Universitä­t Salzburg jedes Jahr sichtbar und neu gedacht.

Die Zeitschrif­t „Kunst und Kirche“hat einen ausführlic­hen Beitrag von Silke Geppert unter dem Titel „Mode und/als Religion“in Nr. 02/2016 veröffentl­icht. WWW.KUNSTUNDKI­RCHE.COM

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BILD: SN/IRENEBRINA­TION.TYPEPAD.COM Die Mode nimmt vielfache Anleihen bei religiösen Symbolen.

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