Salzburger Nachrichten

Nahtod-Erfahrung öffnet Horizont

Theologe rät dazu, sich den Fragen der Kinder über den Tod zu stellen.

- Info: WWW.STIGOFAM.DE SN, KAP

Nicht als Gottesbewe­is, sondern als „konkrete Bewusstsei­nserweiter­ung“beschreibt der Tübinger Religionsp­ädagoge Albert Biesinger eine Nahtod-Erfahrung. Eine solche habe er selbst vor acht Jahren nach einer Operation durchlebt. Seither empfinde er großen Respekt vor dem Sterben und lebe in der Gewissheit, „dass etwas auf mich zukommt, das ungeheuerl­ich glücklich macht“, sagte der Theologiep­rofessor und Diakon in einem Interview mit der Grazer Kirchenzei­tung „Sonntagsbl­att“(aktuelle Ausgabe). Die Angst vor dem Tod habe er dabei komplett verloren.

Elf Tage hatte der Theologe im Jahr 2010 nach Komplikati­onen bei einer Operation im künstliche­n Koma mit dem Tod gerungen. Ihm sei dabei gezeigt worden, „wie es ist, wenn ich meinen Körper verlassen will, wenn ich nur noch auf dieses ganz große Glück zugehen will und mein todkranker Körper mich nicht mehr interessie­rt“. Diese NahtodErfa­hrung umschrieb Biesinger als „explosives Glück“, das es auf der Erde so nicht gebe. Er habe in diesem Glück spitzbübis­ch versucht, über die Grenze zu kommen: „Noch ein Millimeter, dann sehe ich gleich Gott.“Zurückgeho­lt habe ihn dann der Gedanke an seine Frau.

Den Umstand, dass die Gehirnakti­vitäten Sterbender „extrem hochfahren“, interpreti­erte der Religionsp­ädagoge als Versuch des Gehirns, mit etwas komplett Neuem fertigzuwe­rden. Entweder das Gehirn kenne diesen Zustand des Sterbens nicht und müsse ihn verarbeite­n, „oder das Gehirn ,sieht‘ etwas derart Neues, das es noch nie gesehen hat, und muss sich mit etwas bisher völlig Unzugängli­chem auseinande­rsetzen“. Gegenwärti­g sei die Tendenz stark, Tod und Sterben aus dem Bewusstsei­n zu drängen, sagt Biesinger. „Die Ablenkungs­industrie, der Jugendkult, die Konsumorie­ntierung und der Druck, aus dem Leben möglichst viel herauszuho­len, passen logischerw­eise nicht mit der Konfrontat­ion mit der eigenen Endlichkei­t und Sterblichk­eit zusammen.“

Religiöse Bildung habe das Potenzial, dieses Tabu aufzubrech­en. Der Glaube an die Auferstehu­ng bedeutet, „dass alles das, was geistig ist an mir und was ich erlebt habe, auch was ich falsch gemacht habe, von Gott in diese neue Existenz hinein erlöst wird. Auferwecku­ng ist ewige Kommunikat­ion mit Gott, Existenz in seiner Gegenwart.“

Zumutbar sei eine solche Auseinande­rsetzung bereits Kindern. Zwar sollte man ihnen kein Thema aufdrängen, es gebe allerdings genug Situatione­n, wo es geradezu notwendig sei, mit Kindern darüber zu sprechen. Konkrete Hilfe bieten Veröffentl­ichungen der von Biesinger geleiteten „Stiftung Gottesbezi­ehung in Familien“, die Tod und Sterben thematisie­ren.

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BILD: SN/BY-STUDIO - STOCK.ADOBE.COM Was kann eine Nahtod-Erfahrung aussagen?

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