Motorradfahrer sollten auch in Orten Schutzkleidung tragen
Selbst wenn Motorradfahrer den Unfall nicht verursachen: Ohne Lederkombi haben sie bei einer Verletzung schlechte Karten.
Nicht nur auf kurzen Überlandfahrten, sondern auch im Ortsgebiet sind Motorradfahrer verpflichtet, eine Schutzbekleidung zu tragen. Darauf hat der Oberste Gerichtshof jüngst hingewiesen, als er einem Motorradfahrer nach einem Unfall ein Mitverschulden an dessen Verletzungen attestierte.
Der konkrete Fall: Der Kläger kam als Lenker seines Motorrads im Ortsgebiet zu Sturz, wobei die ihm nachweisbare Fahrgeschwindigkeit 55 km/h betrug. Weil er nur zur nächsten Tankstelle hatte fahren wollen, trug er während der Fahrt eine Jeanshose und Turnschuhe, nicht aber seine Lederkombination und die Motorradstiefel. Das Alleinverschulden an dem Unfall traf einen aus der Gegenrichtung kommenden, abbiegenden Pkw-Lenker. Der Kläger erlitt schwere Verletzungen, darunter einen weit offenen Unterschenkeltrümmerbruch. Hätte er seine Schutzbekleidung getragen, wären die Verletzungen deutlich geringer ausgefallen.
Das Erstgericht bejahte ein Mitverschulden des Klägers an den entstandenen Verletzungen, das Berufungsgericht verneinte es. Der Oberste Gerichtshof (OGH) folgte der Rechtsansicht des Erstgerichts.
Ausgangspunkt der Überlegungen der Höchstrichter war bereits eine Entscheidung aus dem Jahr 2015: Dort wurde das Mitverschulden des Motorradfahrers an seinen schweren Verletzungen bejaht, die er sich nach einem Sturz bei einer kurzen Überlandfahrt mit entsprechend hoher Geschwindigkeit, nur mit T-Shirt und kurzer Hose bekleidet, zugezogen hatte. Allerdings könnte man einwenden, dass allgemein im Ortsgebiet geringere Geschwindigkeiten erreicht werden. Und dass das Tragen von Schutzkleidung im urbanen Bereich, wenn das Motorrad eher als reines Verkehrsmittel als für Freizeitfahrten verwendet wird, „unpraktischer“ist und einen, relativ gesehen, größeren Aufwand verursacht.
Für die Übertragung der Rechtsprechung zum Tragen von Schutzkleidung bei Motorradfahrten auch im Ortsgebiet spricht jedoch, dass Motorräder aufgrund ihrer Motorleistung im Verhältnis zu ihrem Gewicht eine spezifisch starke Beschleunigung erreichen können, die gerade im urbanen Gebiet ein besonderes Risiko darstellt. Überdies herrscht im Ortsgebiet tendenziell ein größeres und dichteres Verkehrsaufkommen.
Der OGH gelangte jedenfalls zum Ergebnis, dass eine Differenzierung zwischen städtischem und kurzem Überlandverkehr beim Tragen adäquater Schutzkleidung nicht angemessen ist. Das heißt jetzt nicht, dass man verpflichtet wäre, im Ortsgebiet eine Schutzbekleidung zu tragen. Der OGH macht nur klar, dass bei schweren Verletzungen die Schuld zwischen Schädiger und Geschädigtem geteilt wird.