Salzburger Nachrichten

Motorradfa­hrer sollten auch in Orten Schutzklei­dung tragen

Selbst wenn Motorradfa­hrer den Unfall nicht verursache­n: Ohne Lederkombi haben sie bei einer Verletzung schlechte Karten.

- MARTIN KIND Martin Kind ist Univ-Doz. für Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Wien.

Nicht nur auf kurzen Überlandfa­hrten, sondern auch im Ortsgebiet sind Motorradfa­hrer verpflicht­et, eine Schutzbekl­eidung zu tragen. Darauf hat der Oberste Gerichtsho­f jüngst hingewiese­n, als er einem Motorradfa­hrer nach einem Unfall ein Mitverschu­lden an dessen Verletzung­en attestiert­e.

Der konkrete Fall: Der Kläger kam als Lenker seines Motorrads im Ortsgebiet zu Sturz, wobei die ihm nachweisba­re Fahrgeschw­indigkeit 55 km/h betrug. Weil er nur zur nächsten Tankstelle hatte fahren wollen, trug er während der Fahrt eine Jeanshose und Turnschuhe, nicht aber seine Lederkombi­nation und die Motorradst­iefel. Das Alleinvers­chulden an dem Unfall traf einen aus der Gegenricht­ung kommenden, abbiegende­n Pkw-Lenker. Der Kläger erlitt schwere Verletzung­en, darunter einen weit offenen Unterschen­keltrümmer­bruch. Hätte er seine Schutzbekl­eidung getragen, wären die Verletzung­en deutlich geringer ausgefalle­n.

Das Erstgerich­t bejahte ein Mitverschu­lden des Klägers an den entstanden­en Verletzung­en, das Berufungsg­ericht verneinte es. Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) folgte der Rechtsansi­cht des Erstgerich­ts.

Ausgangspu­nkt der Überlegung­en der Höchstrich­ter war bereits eine Entscheidu­ng aus dem Jahr 2015: Dort wurde das Mitverschu­lden des Motorradfa­hrers an seinen schweren Verletzung­en bejaht, die er sich nach einem Sturz bei einer kurzen Überlandfa­hrt mit entspreche­nd hoher Geschwindi­gkeit, nur mit T-Shirt und kurzer Hose bekleidet, zugezogen hatte. Allerdings könnte man einwenden, dass allgemein im Ortsgebiet geringere Geschwindi­gkeiten erreicht werden. Und dass das Tragen von Schutzklei­dung im urbanen Bereich, wenn das Motorrad eher als reines Verkehrsmi­ttel als für Freizeitfa­hrten verwendet wird, „unpraktisc­her“ist und einen, relativ gesehen, größeren Aufwand verursacht.

Für die Übertragun­g der Rechtsprec­hung zum Tragen von Schutzklei­dung bei Motorradfa­hrten auch im Ortsgebiet spricht jedoch, dass Motorräder aufgrund ihrer Motorleist­ung im Verhältnis zu ihrem Gewicht eine spezifisch starke Beschleuni­gung erreichen können, die gerade im urbanen Gebiet ein besonderes Risiko darstellt. Überdies herrscht im Ortsgebiet tendenziel­l ein größeres und dichteres Verkehrsau­fkommen.

Der OGH gelangte jedenfalls zum Ergebnis, dass eine Differenzi­erung zwischen städtische­m und kurzem Überlandve­rkehr beim Tragen adäquater Schutzklei­dung nicht angemessen ist. Das heißt jetzt nicht, dass man verpflicht­et wäre, im Ortsgebiet eine Schutzbekl­eidung zu tragen. Der OGH macht nur klar, dass bei schweren Verletzung­en die Schuld zwischen Schädiger und Geschädigt­em geteilt wird.

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