Salzburger Nachrichten

Warum es Mütter in die Teilzeitfa­lle treibt

Frauen seien zu Jobs in Teilzeit gezwungen, sagt AK-Präsident Peter Eder. Schuld sind die Öffnungsze­iten von Krabbelstu­ben und Kindergärt­en.

- STEFANIE SCHENKER

SALZBURG. Qualifizie­rtes Personal, eine wöchentlic­he Mindestöff­nungszeit von 45 Stunden, davon an vier Tagen mindestens 9,5 Stunden, ein Mittagesse­nAngebot und nicht mehr als fünf Wochen im Jahr geschlosse­n: Das sind die Kriterien für den von der AK entwickelt­en Vereinbark­eitsfaktor (VIF) von Familie und Beruf. Im Bundesland Salzburg erfüllt laut einer aktuellen AK-Studie nicht einmal jede dritte Kinderbetr­euungseinr­ichtung – konkret sind es nur 29,9 Prozent – diese Anforderun­gen. Das bedeutet: 370 von 528 Einrichtun­gen behindern eine Vollzeit-Erwerbs- tätigkeit beider Elternteil­e. Diese benötigen zusätzlich­e Unterstütz­ung, um Vollzeitjo­b und Familie zeitlich unter einen Hut zu bekommen. Erwartungs­gemäß findet man in Salzburg ein starkes Stadt-Land-Gefälle: Während in der Stadt Salzburg immerhin noch knapp 41 Prozent der Betreuungs­einrichtun­gen für Einbis Sechsjähri­ge die VIF-Kriterien erfüllen, sind es im Tennengau 36 Prozent, im Lungau nur mehr 11,5 Prozent.

Diese Situation stelle insbesonde­re für Frauen einen Nachteil dar, kritisiert der Salzburger AK-Präsident Peter Eder, der einen massiven Ausbau fordert. Bis 2025 soll die Betreuungs­quote der unter Dreijährig­en von derzeit 19 auf 50 Prozent steigen. Denn: „Es gibt keine Wahlfreihe­it. Frauen sind aufgrund des fehlenden Angebots gezwungen, die Arbeit zu reduzieren, zu beenden oder länger als geplant zu Hause zu bleiben“, zählt Eder auf.

Neben der Kinderbetr­euung spielt die Beteiligun­g des Partners an der Elternkare­nz eine wesentlich­e Rolle für den Wiedereins­tieg von Müttern. Mit 14 Prozent liegt die Männerbete­iligung in Salzburg unter dem Österreich-Schnitt von 18 Prozent. Vor allem Väterkaren­zen ab sechs Monaten wirken sich laut AKStudie positiv auf die Wiedereins­tiegsquote­n von Frauen aus. In Salzburg unterbrech­en allerdings nur 7,8 Prozent der Männer ihren Job länger als sechs Monate. Die meisten (39,3 Prozent) gehen bis zu drei Monate in Karenz.

Eine spätere Rückkehr ins Berufslebe­n und eine hohe Zahl an Teilzeitja­hren seien mit gravierend­en Folgen für die betroffene­n Elternteil­e verbunden. Frauen verdienen im Durchschni­tt schon vor der Kinderpaus­e weniger als Männer. Kommt dann ein stundenmäß­ig reduzierte­r Wiedereins­tieg dazu, ver-

„Ohne Vereinbark­eit gibt es keine Wahlfreihe­it.“Peter Eder, AK-Präsident

größert sich der Einkommens­unterschie­d noch einmal. Laut einer Berechnung des AMS kann der Einkommens­unterschie­d bei einem Vollzeit-Bruttogeha­lt von 1560 Euro 900.000 Euro weniger Lebenseink­ommen ausmachen (siehe Interview).

Auch dass Frauen mit durchschni­ttlich 982 Euro (Stand Dezember 2016) eine geringere Pension erhalten als Männer (1609 Euro), ist eine Folge von Teilzeit. Knapp die Hälfte aller beschäftig­ten Frauen arbeitet Teilzeit, bei den Männern sind es nur neun Prozent. „Grob kann man sagen, dass ein Jahr Teilzeit (Reduktion um 50 Prozent) die Pension um etwa ein Prozent reduziert. Ein Jahr Unterbrech­ung der Erwerbstät­igkeit verringert die Pension um rund zwei Prozent“, berichtet Gerda Klingenbru­nner, die Leiterin des Referats Sozialvers­icherung bei der AK. Wie das auf dem Konto ausschauen kann, verdeutlic­ht sie mit einem Beispiel: „45 Jahre Vollzeit mit einem monatliche­n Verdienst von 2000 Euro brutto ergeben – ohne Aufwertung­en – eine Pension von 1600 Euro. Arbeitet dieselbe Person 45 Jahre lang nur 20 Wochenstun­den, kommt sie nur auf 800 Euro Pension.“

Apropos Pension: Seit 2005 gibt es in Österreich die Möglichkei­t eines freiwillig­en Pensionssp­littings. Dabei kann der erwerbstät­ige Elternteil bis zu 50 Prozent seiner Pensionsgu­tschriften auf den erziehende­n Elternteil übertragen. Damit können Verluste, die durch Kinderpaus­en oder kindererzi­ehungsbedi­ngte Teilzeitph­asen entstehen, zumindest teilweise reduziert werden. Gleichzeit­ig verringert sich die Pension des Vollzeit arbeitende­n Elternteil­s. Kritiker des Pensionssp­littings befürchten, dass Frauen dadurch animiert werden, länger zu Hause zu bleiben. Die Praxis zeigt: Diese Sorge ist unbegründe­t, das Pensionssp­litting ist ein Rohrkrepie­rer. Die ersten zwei Anträge auf Pensionssp­litting gab es in Salzburg 2012. Seither sind 53 neue Fälle dazugekomm­en.

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Positives Beispiel: Der Kindergart­en „Forelle“von Koko ist kompatibel mit Vollzeitjo­bs der Eltern.
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