Schmerzhafte Dummheiten im politischen Diskurs
Manche Leute gehen Meilen, wenn es drum geht, unsinnige Sprüche zu verbreiten und zu rechtfertigen.
Das Oxymoron ist eine Kombination von Scharfsinn und Dummheit, eine rhetorische Figur in der Literatur, die zwei einander widersprechende, ja einander ausschließende Begriffe in einer einzigen Formulierung vereint. Wir alle kennen den Spruch „weniger ist mehr“. Entweder als Hinweis darauf, dass die Menge nicht unbedingt über die Qualität entscheidet, als Ausdruck der Bescheidenheit oder auch als Ausrede für die Praxis der Wirtschaft, in gleich großen Verpackungen immer weniger Inhalt zu verstecken.
Der „alte Knabe“weist auf einen älteren Mann hin, der durch sein Verhalten entweder beweist, dass er jung geblieben oder ins Kindische regrediert ist. So mancher mag noch das Scherzgedicht in Erinnerung haben, das beginnt mit den Worten: „Finster war’s, der Mond schien helle, schneebedeckt die grüne Flur …“
Dichter und Schriftsteller benutzen diese Formulierungen, um Spannungen zu erzeugen, Gefühle zu wecken oder Lügen bloßzustellen. So erfand Friedrich Hölderlin in einer Ode das Wort „traurigfroh“. George Orwell entlarvte totalitäre Herrscher und deren blökende Anhängerschar, indem er sie skandieren ließ „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“.
In der Politik dürfte das seltsamste Oxymoron der Schlachtruf der spanischen Faschisten sein, die johlten: „Viva la muerte!“, also „Es lebe der Tod“– und die haben das sicher nicht ironisch gemeint und vermutlich auch gar nicht gemerkt, wie unsinnig das Ganze war.
Orwells Wort von Unwissenheit und Stärke könnte das Stichwort sein für die jüngste Erfindung eines Oxymorons im politischen Diskurs. In diesem Fall können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der Erfinder des Oxymorons diese Formulierung nicht erfunden hat, um beson- ders scharfsinnig zu sein. Der Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus, dürfte gerade an einem „warmen Eislutscher“gezuzelt haben, als ihm einfiel, dass die ungarischen Vorwürfe gegen George Soros auf ein „stichhaltiges Gerücht“gründeten.
„Stichhaltig“und „Gerücht“passen ungefähr so zusammen wie „Nationalismus“und „Weltoffenheit“, wie „Kommunismus“und „wirtschaftlicher Erfolg“, wie „Wladimir Putin“und „Menschenrechte“oder wie „Abhörwanze“und „Straches Büro“.
Wir müssen vermuten, dass Johann Gudenus tatsächlich alles glaubt, was als „stichhaltiges Gerücht“an ihn herangetragen wird. Das Recht dazu sollte man ihm nicht nehmen. Es wäre nur bedauerlich, sollte das parteipolitisch motivierte Oxymoron ansteckend sein und nach und nach die ganze Regierung infizieren. VIKTOR.HERMANN@SN.AT