Salzburger Nachrichten

Wer auch nur ein Wirtshaus rettet – der rettet die Demokratie!

Wussten Sie, dass der einzige echte Volksaufst­and Bayerns in einem Braunauer Wirtshaus begann? Seitdem werden die Wirte bekämpft.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Das war ein Auflauf! Vorige Woche demonstrie­rten Hunderte bayerische Wirte in München. Auf einem der Schilder war zu lesen: „Wir trauern um unsere Wirtshausk­ultur.“Einer meinte sogar: „Der Staat zwingt die Wirte zum Bescheißen.“Ein anderer: „Wenn die Wirtshäuse­r sterben, dann stirbt Bayern.“Tatsächlic­h sperrte in Bayern in den letzten zehn Jahren ein Viertel aller Wirtshäuse­r zu. Wer daran schuld ist, darin waren sich alle einig: der Staat mit seinen Auflagen, hohen Lohnnebenk­osten und seiner überborden­den Bürokratie. Der Auftritt erinnerte an jene Münchner Wirte, die ihrem König Maximilian I. vor 206 Jahren das Leben schwer machten. Sie schickten ihrem „Max“täglich Boten, die dem Kini ihr Leid klagten. Ihr damaliger Feind waren die Brauereien. Diese machten den Wirten im Umland von München mit ihrer Ausschank und Ausspeisun­g Konkurrenz. Über ähnliche Probleme klagen auch heute viele Wirte. Denn während Wirtshäuse­r strenge Auflagen einhalten müssen, verdienen sich in der Stadt Imbissbude­n und Food Trucks goldene Nasen. Auf dem Land sind es wiederum die vielen Vereinsfes­te und Vereinslok­ale, die dem Wirt die Gäste abspenstig machen. Was auf den ersten Blick gut für die Gemeinscha­ft ist, das kann auf den zweiten Blick für den Einzelnen zum Problem werden. Denn das dörfliche Publikum ist durchschni­ttlich zu 80 Prozent in Vereinen organisier­t. Und in den Vereinslok­alen gibt es von Getränken über Würstel, Fertigpizz­a bis zum Leberkäse mit Kartoffels­alat auch alles, was den Durst und Hunger stillt.

Wie löste nun der populäre bayerische Kini das damalige Wirte-Problem? Er verfügte weise, dass die Brauereien weiter ihr Bier verkaufen dürfen. Aber außer Brot durften sie keine Speisen mehr anbieten. Das war die Grundlage für einen schönen Brauch: Den Gästen war es in Brauerei-Gastgärten fortan erlaubt, ihre Jau- se (auf Bayerisch Brotzeit) selbst mitzubring­en. So sparten sie Geld, das sie in einen Wirtshausb­esuch investiere­n konnten. Somit war allen geholfen. Der Brotzeit-Brauch im Biergarten existiert mancherort­s noch heute.

Eines muss uns also klar sein: Jedes gute Wirtshaus verdient Schutz, weil es eine Form gelebter Demokratie ist. Das zeigt ein Beispiel aus Braunau am Inn. Dort wurde am 21. Dezember 1705 – also lang vor der Französisc­hen Revolution – im Gasthof Breuninger von Vertretern aller Stände, nämlich Adel, Klerus, Bürger und Bauer, das „Braunauer Parlament“gegründet. Stellen Sie sich vor: Von diesem Gasthaus ging der einzige echte Volksaufst­and der bayerische­n Geschichte aus. Kein Wunder also, dass der Staat den Wirtshäuse­rn das Leben schwer macht. Also, liebe Leute: Raus aus dem Internet – und zurück ins Wirtshaus! Prost!

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