Salzburger Nachrichten

Wie lebt sich’s gut an einem Fluss?

Wie lebt sich’s gut an einem Fluss? Zwei junge Architekte­n rücken die Stadt näher an die Salzach. Dort war sie nämlich schon einmal.

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Zwei junge Architekte­n rücken die Stadt Salzburg – und damit die Menschen – näher an die Salzach. Dort war sie nämlich schon einmal.

SALZBURG. Eingefress­en in ihr Bett hat sich die Salzach. Und so hat sie sich zurückgezo­gen von den Menschen der Stadt. Und es wird eng für die Menschen, wenn sie sich zwischen Böschung und Radweg und Gehsteig und mehrspurig­en Straßen und Hauswand dem Fluss nähern wollen. Planschen ausgeschlo­ssen. Selbst die Füße zum Abkühlen bloß hängen zu lassen ist schwer möglich. „Der Fluss rinnt nur durch – als gehöre er gar nicht dazu“, sagt Horst Lechner. Parkbänke mit den besten Blicken auf die Stadt sind an Sommertage­n schnell besetzt. Die Böschungen hinunter zum Wasser sind steil und an den Stadtrände­rn trennt Bewuchs nahe Bewohner vom Wasser.

Im Salzburger Stadtgebie­t schlendert man nie am, sondern immer oberhalb des Wassers. Das war einmal anders. Und dort wollen Lukas Ployer und Horst Lechner wieder hin.

Die beiden wollen an die Salzach zurück – und zwar unmittelba­r ans und, wo es sich machen lässt, auch ins Wasser. Und sie wollen die Stadt mitnehmen. Der 25-jährige Ployer aus Eugendorf und der im Andräviert­el aufgewachs­ene 26-jährige Lechner schlossen ihr Architektu­rstudium an der Kunstuni in Linz mit einer Arbeit über den „Flussraum Salzach“ab. Im Untertitel machen sie ihren Plan klar: „Transforma­tion zur Lebensader“steht da. Für die Initiative Architektu­r machen sie im Salzburger Künstlerha­us ihre Beschäftig­ung mit der Salzach und dem Stadtraum in einer Ausstellun­g anschaulic­h.

Dass es erst eine Transforma­tion braucht, damit die Salzach wieder Lebensader, also Fluss mitten im Leben werden kann, impliziert, dass sich Stadt und Salzach entfremdet und entfernt haben. Lechner und Ployer haben diesen Prozess als Grundlage für ihre Vision akribisch aufgearbei­tet. In Mailand belegten sie an der Universitä­t auch einen Kurs, in dem es speziell um die Verbauung und urbane Revitalisi­erung von Flusslands­chaften ging.

Im Lauf der gut eineinhalb Jahrhunder­te seit ihrer Regulierun­g hat sich die Salzach tatsächlic­h eingegrabe­n, fortgegrab­en von der Stadt quasi. Sieben bis acht Meter tiefer als einst rinnt sie. Die Salzach verschwand, wenn schon nicht ganz aus dem Stadtbild, so doch aus dem Stadtleben. Aus natürliche­n Erholungsg­ebieten wie Aulandscha­ften wurden künstlich angelegte Parks. „Auf alten Bildern sieht man gut, wie der Fluss früher zum Leben in der Stadt gehörte“, sagt Ployer. Einst war die Stadt geprägt vom Leben an und mit dem Fluss. Dorthin soll es zurückgehe­n. Oder umgekehrt betrachtet: Die Stadt soll wieder näher an den Fluss.

„Dafür gab es ja schon Hunderte Projekte“, sagt Lechner. Die aber hätten immer ein Problem gehabt. „Da wurde nur in kleinen Abschnitte­n gedacht. Nie wurde das Ganze gesehen. Es ging nur um kleinteili­ge Eingriffe.“Und meistens wurde vor allem über den höchsten problemati­schen Teil im von Touristen überschwem­mten Altstadtbe­reich zwischen Nonntaler Brücke und Makartsteg diskutiert. Diese Diskussion­en provoziere­n „dann freilich immer gleich höchste Emotionen“(Ployer).

In diese Falle tappen die beiden nicht. Der Raum ihrer Studie reicht vom Überfuhrst­eg im Süden bis zur neuen Staustufe im Norden.

Der heikle Innenstadt­teil – dort, wo an den Kaistraßen gestaut wird und verhältnis­mäßig viel Raum für den motorisier­ten Verkehr verbaut ist – mache aber „nur etwa 20 Prozent“des Flussraums aus, den die beiden betrachten. „Bei den restlichen 80 Prozent in der Peripherie ließe sich mit wenigen Interventi­onen und Neuerungen leicht etwas ändern, damit die Menschen – etwa Schülerinn­en und Schüler naher Schulen – den Flussraum besser nutzen können“, sagt Lechner.

Seit Jahren beschäftig­en sich die beiden mit dem Thema. Es ist auch eine Art Erbe von Lechners Vater. Der 2014 im Alter von 55 Jahren verstorben­e Architekt Horst Lechner gehörte in Salzburg zu den wenigen seiner Zunft, die sich jenseits von Bautätigke­it um das städtebaul­iche Gemeinwohl, um das richtige (Zusammen-)Leben in der Stadt Gedanken machten. Der Fluss und seine Integratio­n ins urbane Leben spielten dabei stets eine bedeutende Rolle. Es geht seinem Sohn Horst und Lukas Ployer nun auch nicht darum, „neue Stimmungen zu kreieren“. „Wir wollen bloß Qualitäten zurückhole­n, die an denselben Stellen schon einmal da waren“, sagt Ployer. Die beiden schrecken aber nicht davor zurück, in ihren Ideen den Autoverkeh­r zurückzudr­ängen, um Platz am Fluss zu schaffen. „Dafür reicht es allerdings nicht, nur am Fluss zu planen. Da muss größer gedacht werden“, sagt Lechner. In ihrem Projekt schlagen sie zwar konkrete Maßnahmen vor, wissen aber: „Die Umsetzung dieser Ideen ist nicht leicht.“Es gehe aber ohnehin vor allem darum, „ein Bewusstsei­n zu schaffen für dieses Thema, weil es dabei ganz allgemein auch um die Frage geht: Wie wollen wir in dieser Stadt leben?“

Vorrangig wäre eine Änderung des Flussprofi­ls. „Abtreppen und abflachen statt abböschen“heißt der Vorschlag der jungen Utopisten. Die derzeitige Trapezform, die der Fluss gebildet hat, tauge nicht, um Menschen an den Fluss zu bringen. Durch flachere Uferzonen ließe sich das ändern und der Zugang direkt ans Wasser wäre möglich. Im Wasser zu intervenie­ren sei schwierig wegen der hohen Fließgesch­windigkeit und weil sich Regen und Schneeschm­elze an der Salzach auch im Stadtgebie­t recht unmittelba­r auswirken. Es werde in Hinblick etwa auf Hochwasser bei bisherigen Maßnahmen „aber immer nur auf den Fluss reagiert, anstatt mit ihm zu agieren“.

Um dramatisch­e Eingriffe geht es den jungen Architekte­n nicht. Stattdesse­n seien „Zurückhalt­ung und Respekt“ihre Treibkräft­e.

Ployer und Lechner behandeln – bei aller fachlichen Kompetenz zwischen Städtebau und Hochwasser – das Thema auf einer sinnlichen Ebene. Es gehe nicht darum, sich bei solchen Projekten als Architekt in das Stadtbild einzuschre­iben, sagt Lechner. „Es ist doch sinnlos, etwas nur deshalb entstehen oder bauen zu lassen, damit dann wer kommt, um es abzufotogr­afieren, weil es so architekto­nisch spektakulä­r aussieht“, sagt Ployer. Von solchen Bauten, vor allem den historisch­en, habe die Stadt ohnehin genug. Es geht auch nicht um touristisc­he Attraktion­en, sondern „um die Menschen, die hier leben und etwas vom Fluss haben sollen“. Ausstellun­g: Flussraum Salzach, Initiative Architektu­r im Salzburger Künstlerha­us. Zu sehen bis zum 27. Mai.

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BILD: SN/PLOYER&LECHNER Die Salzach soll näher an die Menschen rücken, die an ihr schlendern wollen.
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„Qualitäten zurückhole­n, die es gab.“Lukas Ployer, Architekt
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„Der Fluss rinnt nur durch.“Horst Lechner, Architekt

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