Salzburger Nachrichten

Wenn die Lage besser als die Stimmung ist

Der Gipfel des Aufschwung­s liegt hinter uns. Das heißt allerdings nicht, dass sich vor uns ein wirtschaft­liches Jammertal auftut.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Konjunktur­prognosen sind definition­sgemäß mit Unsicherhe­it behaftet, und das wiederum bietet breiten Spielraum für Interpreta­tionen. Man kann das Glas also halb leer oder halb voll sehen. Neigt man zur ersten Ansicht, muss man wohl akzeptiere­n, dass der Höhepunkt des Wirtschaft­saufschwun­gs in Europa überschrit­ten ist. Wer dagegen mit Zuversicht in die Zukunft blickt, kann darauf verweisen, dass der Abschwung sanft vonstatten­gehen dürfte. So oder so bietet die Prognose der EU-Kommission jedenfalls keinen Grund, um in Depression zu verfallen oder gar die Angst vor der nächsten Rezession zu schüren.

Fakt ist, 2017 war das konjunktur­ell beste Jahr seit Langem. Und heuer geht es nur minimal schwächer so weiter. Dass dieses Tempo nicht auf Dauer zu halten sein würde, war klar. Insofern kommt die für 2019 erwartete Abschwächu­ng nicht überrasche­nd.

Abgesehen davon sagen viele Ökonomen seit Langem, dass in entwickelt­en Industriel­ändern langfristi­g nicht mehr so hohe Wachstumsr­aten wie in der Vergangenh­eit erzielbar sein werden. Teils weil sie vor der Krise durch die boomende Finanzwirt­schaft künstlich aufgebläht waren, teils weil es schwierige­r wird, das Potenzial einer Volkswirts­chaft durch immer höhere Produktivi­tät voll auszuschöp­fen. Die Herausford­erung für die Wirtschaft­spolitik wird sein, auch mit geringeren Wachstumsr­aten für Beschäftig­ung und Wohlstand zu sorgen, wobei dieser neu definiert und künftig nicht mehr allein am jährlichen Anstieg der Wirtschaft­sleistung gemessen wird.

Zudem kommt es in der Wirtschaft stark auf die Stimmung an. Und die ist derzeit nicht gut. Die Unsicherhe­it über einen Handelskon­flikt zwischen Europa und den USA ist ein Dämpfer, obwohl noch offen ist, ob der Streit eskaliert. Ähnlich verhält es sich mit dem Brexit. Nicht zufällig weist Großbritan­nien aktuell die schwächste­n Wachstumsa­ussichten in der EU auf. Auch hier weiß niemand, wie die Sache ausgeht, aber man stellt sich auf das Schlimmste ein.

Politische Unsicherhe­it ist für Unternehme­n und jede Investitio­nsentschei­dung die größte Bremse, sie halten sich zurück, bis Klarheit herrscht. Das Gute ist, diese Bremse kann rasch gelockert werden, wenn die Politiker guten Willens und zum Handel(n) entschloss­en sind. Das gilt auch für Österreich. Im Programm der Regierung finden sich einige Maßnahmen, die die Dynamik der Wirtschaft erhöhen könnten, etwa die moderate Liberalisi­erung des Arbeitsmar­kts, und anderes mehr. Auch hier gilt es, die Unsicherhe­it zu beenden und einiges einfach zu tun.

Newspapers in German

Newspapers from Austria