Salzburger Nachrichten

„Wir sind nicht die Bremser“

Der steirische Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer sieht die Länder in der Pflicht zur Mitwirkung an der türkis-blauen Reformpoli­tik. Er kritisiert „Gutmensche­ndebatten“und warnt vor zu viel Beliebigke­it.

- Das Gespräch wurde mit den Chefredakt­euren der Bundesländ­erzeitunge­n geführt. Für die SN nahm Manfred Perterer daran teil.

Die Länder sollen die Bundesregi­erung in ihrer Reformpoli­tik „nicht behindern, sondern ermuntern“. Das wünscht sich der steirische LH Hermann Schützenhö­fer (ÖVP), der nach den Landtagswa­hlen jetzt ein Zeitfenste­r für gestaltend­es Handeln sieht. „Sebastian Kurz ist für die nächsten ein, zwei Jahre auf dem Höhepunkt der Macht. Er steht vor den Mauern des Systems und wagt zu fragen, ob da was verkrustet ist“, skizziert der Steirer seine Sicht der Dinge.

Die ÖVP-Zuwächse bei den Landtagswa­hlen seien keineswegs nur der Landespoli­tik zu verdanken: „Sie tragen auch den Namen von Kurz. Deshalb haben die Länder eine Verpflicht­ung, mit ihm gemeinsam die Reformen zu tragen.“Das habe man vorher so ausgemacht, ruft Schützenhö­fer in Erinnerung. Denn „wenn die Kurz-Euphorie einmal verblasst, dann hängen Wohl und Wehe der Regierung davon ab, ob sie etwas Greifbares vorweisen kann“.

Drei Vorhaben sind aus Sicht des Steirers zentral: die Reform der Sozialvers­icherungen, der finanziell­e Ausgleich für den entfallene­n Pflegeregr­ess und die Schaffung einer einheitlic­hen Mindestsic­herung. Letztgenan­ntes sei „ein ganz schwierige­s Thema“. Denn eines sei klar: „Wenn ein Modell kommt, das den Ländern viel Spielraum lässt, dann ändert sich gar nichts.“Im Fokus der Mindestsic­herungsref­orm stünden keineswegs die Ausländer. In der Steiermark etwa stammten 70 Prozent der Bezieher aus dem Inland. „Aber man muss fragen: Was ist Arbeit im Vergleich zu einer Sozialleis­tung wert?“Schützenhö­fer bekennt, er sei für ein härteres Modell. „Natürlich“solle man unterschei­den zwischen den neu Hinzukomme­nden und jenen, die schon Jahrzehnte in das System einzahlten. Die Regierung habe sich vorgenomme­n, das zu diskutiere­n – „ohne falschen Zungenschl­ag, aber doch entschloss­en“. Die Kritik der Caritas weist Schützenhö­fer mit dem Hinweis zurück, in der „warmen Stube der Gutmensche­ndebatte“sähen manche Dinge eben anders aus als in der Realität.

Harsche Kritik übt der Landeshaup­tmann an der noch von der alten SPÖ-ÖVP-Regierung beschlosse­nen Abschaffun­g des Pflegeregr­esses: „Das ist und bleibt ein Stumpfsinn.“Zugleich deutet er an, dass eine Lösung mit dem Bund bereits in Griffweite sei. „Das wird einvernehm­lich mit den Ländern gelöst. Das kostet viel Geld, aber das müssen wir von der Tagesordnu­ng bringen.“Schützenhö­fer fordert deshalb eine generelle Versicheru­ngspflicht in diesem Bereich.

Es gehe aber nicht nur ums Finanziell­e. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine staatliche Rundumvers­orgung von der Wiege bis zur Bahre noch stärker einführen. Das ist ein fatales Signal.“Nach der Kinderbetr­euung mit einer Rekordzahl an Krippen und Kindergärt­en werde nun quasi auch die Altenpfleg­e verstaatli­cht. „Dadurch schleicht sich viel Beliebigke­it ein in die Gesellscha­ft.“

Zum Thema Sozialvers­icherung betont Schützenhö­fer: „Ich habe kein fertiges Modell, aber ich sehe auf jeden Fall Veränderun­gsbedarf.“Bei Kammern und Sozialvers­icherungen habe sich „ein Staat im Staate“gebildet. Die von der Regierung vom Zaun gebrochene Privilegie­ndebatte sei freilich „nicht nobelpreis­verdächtig“gewesen.

Vor der Wahl habe man die Zusammenle­gung von 21 auf fünf Kassen ausgemacht: „Ob da die AUVA dabei ist, ist noch nirgendwo besprochen und entschiede­n.“Kanzler und Vizekanzle­r müssten Flagge zeigen, dann kämen die Länder mit ins Boot. Umgekehrt habe auch die AUVA keine ernsthafte­n Sparvorsch­läge gemacht. Schützenhö­fers Befund: „Die gegenseiti­ge Lust, es mit einem Systemwand­el nicht ernst zu nehmen, ist ausgeprägt.“

Unmut äußert der Steirer darüber, dass die Länder in der Reformdeba­tte als Bremser und Verhindere­r dargestell­t würden: „Das magerlt uns ziemlich. Die Länder sind näher an den Menschen, sie gibt es schon länger als den Bund. Und sie machen nur 24 Prozent der Schulden, während 76 Prozent dem Bund zuzurechne­n sind.“

Seinen LH-Kollegen stellt Schützenhö­fer großteils gute Zeugnisse aus. In Vorarlberg mache Markus Wallner die Sache gut – „wenn ich ihn ärgern will, sage ich zu ihm Bezirkshau­ptmann, denn der Bezirk Liezen ist von der Fläche größer.“In Salzburg sei Wilfried Haslauer „eine ganz gute Stütze“für Kanzler Kurz. Nachsatz: „Ich hoffe, sie wissen es beide voneinande­r.“Mit der bisherigen Leistung der Regierung ist der Steirer offenbar nicht uneingesch­ränkt zufrieden. Er formuliert es so: „Die Regierung ist in der allgemeine­n Wahrnehmun­g gut auf Kurs. Ob das den Fakten standhält, will ich jetzt gar nicht untersuche­n.“Letztlich entscheide aber bei Wahlen ohnehin die Wahrnehmun­g. Die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ solle „zu einer Normalität“werden, wünscht sich Schützenhö­fer. Affären würden das freilich erschweren. Zuletzt etwa das Treffen mit der Rechts-außen-Partei Front National in Nizza. „Solche Ausreißer fördern die Sache nicht.“

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BILD: SN/JUERGEN FUCHS LH Schützenhö­fer

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