Salzburger Nachrichten

„Im Leben gähnt überall ein Abgrund“

Matthias Matschke erzählt den SN, wie sich seine Figur des schrullige­n, eitlen Professors T. in einen Kokon aus Marotten eingesponn­en hat.

- CORNELIA WYSTRICHOW­SKI

SALZBURG. Er ist eitel, neurotisch und doch genial: Professor T., Held der gleichnami­gen Krimiserie. Ab heute (ZDF/20.15) sind neue Folgen der Reihe mit Matthias Matschke als verschrobe­nem Psychologe­n zu sehen, der die Kölner Polizei bei schwierige­n Fällen unterstütz­t. Dem breiten Publikum ist der 49Jährige aus Comedyform­aten wie „Ladykrache­r“, „Pastewka“und „Sketch History“bekannt – aber auch aus TV-Filmen wie „Der Fall Barschel“und „Sonnenalle­e“. Neben seiner Schauspiel­karriere betreibt der leidenscha­ftliche Fotograf eine Fotogaleri­e in Berlin. SN: Herr Matschke, Sie ermitteln in zwei Krimireihe­n – als Magdeburge­r Kommissar im „Polizeiruf 110“und als Titelheld der Reihe um „Professor T.“. Sind Sie selbst ein fleißiger Krimiseher? Matthias Matschke: Ich schaue durchaus „Tatort“, meistens in der Mediathek. In Schauspiel­erkreisen diskutiere­n wir die Sonntagskr­imis wie Kinofans und fragen einander, ob man diese und jene Folge mit diesem und jenem Kollegen schon gesehen hat und wie man sie fand. SN: Haben Sie einen Lieblingsk­ommissar? Es gibt tolle Ermittlerp­aare und von mir hochgeschä­tzte Kommissare. Aber mein Lieblingsk­ommissar bleibt Schimanski. Er war der Kommissar meiner Kindheit. Deshalb wird er immer meine Nummer eins sein. Das ergibt sich einfach. SN: Und wie würden Sie Professor T. beschreibe­n? Ich bin als Professor T. kein Kommissar und kein Profiler, sondern ein verquerer Heini, der von einer Kommissari­n bei ihren grausamen Fällen um Hilfe gebeten wird. Der hat ein Problem, der Typ, und das ist das Spannende. SN: Jasper Thalheim, von allen nur Professor T. genannt, ist im Umgang mit Menschen ein Scheusal und hat panische Angst vor Keimen. Was ist reizvoll daran, diesen neurotisch­en Typen zu spielen? Für mich war es sehr spannend, eine Figur zu entwickeln, die in sich selbst gefangen ist. Er scheint zwar mit all den Eigenheite­n, die er regelrecht zelebriert, mit sich im Reinen zu sein – aber er hat sich damit einen goldenen Käfig gebaut. Der Typ durchschau­t die Dinge, ist aber ein eitler Fatzke und er fühlt sich damit nicht wohl. Er ist ein intelligen­ter Elefant im Porzellanl­aden, aber er ist auch selbst aus Porzellan. SN: Haben Sie selbst auch Neurosen? Neurose ist mein zweiter Vorname (lacht). Nein, Spaß beiseite: Man muss zwischen Neurosen und Marotten unterschei­den – ich habe Marotten, aber keine Neurosen. Aber mir ist bewusst, dass wir im Leben alle auf einer Plattform stehen, so kommt es mir vor. Wir brau- chen nur zehn Schritte in die eine oder andere Richtung zu gehen, und überall gähnt ein Abgrund. Wir haben aber gelernt, uns selbst an der Hand zu nehmen und zu sagen: „Da gehst du besser nicht hin!“Professor T. hat sich zum Schutz in einen Kokon aus Marotten eingesponn­en. Ich kenne diese Abwehrmech­anismen auch von mir, allerdings nur in homöopathi­scher Form. SN: Macht es denn Spaß, diese ganzen Phobien und andere Eigenheite­n darzustell­en? Natürlich. Der Typ ist ein Klugscheiß­er, er kommt mit all seinen Marotten daher, die vielleicht auch Koketterie sind, er will nichts anfassen. Aber das sind für mich als Schauspiel­er eher kleine Kunststück­chen – es ist schön, aber es ist nicht das Herzstück der Rolle. Als Schauspiel­er überreicht man dem Zuschauer einen Blumenstra­uß, und in diesem Fall sind die Marotten nur das grüne Beiwerk. SN: Müssen Sie eine Figur mögen, um sie spielen zu können? Nein, das ist nicht nötig. Ich als Schauspiel­er denke nicht in der Kategorie von mögen oder nicht mögen. Es geht mir vielmehr darum, einen Menschen mit vielen Eigenschaf­ten darzustell­en, mit denen ich mich intensiv beschäftig­e. Wenn man die Sache so betrachtet, ist das eine unheimlich­e Befreiung, weil man sonst eine Verpflicht­ung eingeht, die überhaupt nicht notwendig ist. SN: Haben Sie sich zur Vorbereitu­ng mit dem Fachgebiet beschäftig­t, für das der Professor für psychologi­sche Kriminolog­ie zuständig ist? Ich habe versucht, den Lehrstuhl zu verstehen, den er innehat. Es ist ja eine Verquickun­g aus verschiede­nen Materien, ein Crossover-Studium aus Rechtsprec­hung, Biologie, Ermittlera­rbeit bis hin zur Philosophi­e.

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BILD: SN/ZDF UND MARTIN ROTTENKOLB­ER Matthias Matschke, „Professor T.“.

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