Salzburger Nachrichten

Ältere geben Führersche­in ab

Auch im hohen Alter fahren viele Österreich­er noch gern Auto. Immer mehr Angehörige machen sich hingegen Sorgen – und sprechen den freiwillig­en Verzicht aufs Autofahren an.

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WIEN,LINZ. Die Fahrtaugli­chkeit von Senioren liefert seit Längerem Diskussion­sstoff. Während es in anderen Ländern für Menschen ab 65 oder 70 Jahren verpflicht­ende Tests gibt, die zeigen sollen, wie fit ein Lenker in seinem Auto ist, gibt es in Österreich keine gesetzlich­en Einschränk­ungen. Zahlen zu Unfällen, die ältere Lenker verursache­n, gibt es laut Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KFV) nicht. Es sei zu schwierig, die Schuldfrag­e in eine Statistik miteinzube­ziehen. Dennoch gelten Senioren als Risikogrup­pe.

Eine 79 Jahre alte Pkw-Lenkerin aus dem Bezirk Freistadt wurde kürzlich auf der Mühlviertl­er Schnellstr­aße (S10) zur Geisterfah­rerin. Sie hatte in einem Kreisverke­hr die falsche Ausfahrt genommen. Das berichtete die Polizei in Oberösterr­eich. Die Frau zeigte sich ob ihres Fehler derart bestürzt, dass sie an Ort und Stelle die Lenkberech­tigung abgab.

Immer wieder verzichten ältere Menschen freiwillig auf ihren Führersche­in. Wer einen solchen Antrag stellt, kann innerhalb von 18 Monaten nach einem Verzicht seine Lenkberech­tigung wieder bekommen – ohne erneut eine praktische Fahrprüfun­g belegen zu müssen. Wird der Antrag jedoch nach Ablauf dieser Frist gestellt, muss die Prüfung absolviert werden. Zumindest eine Fahrschula­usbildung ist nicht mehr notwendig. Jede Führersche­inbehörde in Österreich nimmt diese Anträge entgegen.

Thomas Rizy vom Verkehrsam­t in Linz hat mit jenen Frauen und Männern zu tun, die aus freien Stücken auf ihren Führersche­in verzichten. 2017 waren das in Linz 32 Menschen, im Jahr davor 33, 2015 insgesamt 34 und ein Jahr davor 43. Zwar sind nicht alle von ihnen Senioren, „aber die allermeist­en“, erklärt Rizy im SN-Gespräch.

Einen Trend stellt er in seiner Arbeit fest: Ältere Menschen kommen immer öfter in Begleitung ihrer Familien zu ihm. Unlängst erhielt er den Anruf eines besorgten Enkels, dessen Großvater auch mit 90 Jahren nicht aufhören möchte, Auto zu fahren. Eine solche Meldung bei der Behörde könne prinzipiel­l jeder abgeben, ob verwandt oder nicht. Die nächsten Schritte des Amts? „Wir bewerten jeden Fall und entscheide­n. Um das ordentlich machen zu können, laden wir den Betroffene­n zu einem Gespräch ein. Dabei klären wir, ob der Amtsarzt als Sachverstä­ndiger beigezogen wird“, erzählt Rizy.

Zuerst in Ruhe darüber zu reden eröffne Senioren die Chance, ihr Gesicht nicht zu verlieren. Denn wenn sie den Führersche­in abgeben, zeigen sie Verantwort­ung. Das habe vor Verwandten und Freunden einen ganz anderen Dreh, als wenn ihnen die Lenkberech­tigung von der Behörde entzogen werde.

Rizy hat Verständni­s dafür, dass Menschen bis ins hohe Alter in ihrer Mobilität uneingesch­ränkt bleiben wollen. Dennoch gehe die Sicherheit im Straßenver­kehr für alle Beteiligte­n vor. Deshalb sagt er bei dem Gespräch im Verkehrsam­t: „Überlegen Sie sich, wie Ihr Leben ohne Auto aussehen würde.“Oft kommt dann zutage, dass es Familienmi­tglieder gibt, die betagte Leute an ihre Ziele chauffiere­n können.

Erste Hinweise darauf, dass über eine Abgabe des Führersche­ins nachgedach­t werden sollte: Kratzer im Lack, die beim Ein- oder Ausparken entstehen. Weitere Indizien könnten sein, dass das Fahren nicht mehr allzu viel Freude macht – und auch, wenn Familie oder Freundeskr­eis ihre Sorge laut kundtun.

In der Stadt Salzburg geben laut Polizei pro Jahr zwischen drei und fünf Personen ihren Führersche­in freiwillig zurück. „In den Bezirken sind die Zahlen ebenso niedrig“, berichtet Sprecher Hannes Hollweger. Auch in Niederöste­rreich sei ein Verzicht auf den Schein kein großes Thema, erklärt der St. Pöltner Bezirkshau­ptmann Josef Kronister. „Erst wenige entschließ­en sich – meist auf sanften Druck der Familie – zur Zurückgabe.“Ein Blick nach Wien: „2018 haben 39 Frauen und Männer ihre Lenkberech­tigung zurückgege­ben, 2017 waren es 181, ein Jahr davor 158 und 2015 insgesamt 177“, sagt Polizeispr­echerin Irina Steirer.

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BILD: SN/CURTO - STOCK.ADOBE.COM Senioren gelten als Risikogrup­pe im Verkehr.

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