Salzburger Nachrichten

Dutertes brutaler Feldzug gegen Drogen weckt Widerstand

Tausende Tote hat der Anti-Drogen-Krieg auf den Philippine­n bisher gefordert. Erstmals gibt es nun Kritik im Inland.

- SN, dpa

Das Leben ihres Sohnes trägt Emily Soriano jetzt in einer blauen Mappe mit sich herum. Das Foto, auf dem Angelito so verschlafe­n in die Kamera blickt, sein Schulauswe­is als Achtklassl­er. Und schließlic­h das Bild seines dünnen Körpers auf einem Steinboden, verdreht, von Kugeln zerschosse­n. Die blutige Hand liegt vor dem Gesicht.

Ihr Sohn ist eines von offiziell 4100 Todesopfer­n des Anti-DrogenKrie­gs, den Polizei und Militär auf den Philippine­n führen, seit Präsident Rodrigo Duterte an der Macht ist. Menschenre­chtler schätzen, dass die Zahl der Toten bei mindestens 13.000 liegt, manche sprechen sogar von 20.000 und mehr. Die genaue Zahl kennt niemand.

Internatio­nal gibt es viel Kritik an dem scharfen Vorgehen gegen mutmaßlich­e Drogenhänd­ler auf den Philippine­n. Aber Duterte macht weiter. Sein Feldzug geht dieser Tage bereits ins dritte Jahr.

Angelito war 15, als er kurz nach Weihnachte­n 2016 in einem der Slum-Vororte von Manila zusammen mit sechs anderen Jugendlich­en erschossen wurde. Es hatte in einem Jugendtref­f eine Polizeiraz­zia gegeben. Das Muster ist immer dasselbe: Zivilfahnd­er stürmen das Gebäude, es gibt Schüsse und Tote.

Emily Soriano wusste, dass in dem Jugendtref­f mit Chrystal Meth gehandelt wurde, der Billigdrog­e, die auf den Philippine­n Shabu heißt. „Ich habe meine Kinder immer wieder davor gewarnt, in dieses Haus zu gehen. Doch ich hatte eine böse Ahnung“, sagt Soriano. Ihr Gefühl trog sie nicht. Als sie dort ankam, war Angelito schon tot. Die Mutter schwört bei allen Heiligen, dass ihr Sohn nie Drogen nahm. Bei der Obduktion hatte er auch keine Spuren von Drogen im Körper.

Emily Soriano hat Duterte nicht gewählt. Aber anfangs gehörte sie zu den Leuten, die seine harte Linie gut fanden. „Dass unser Land ein Drogenprob­lem hat, kann man nicht bestreiten“, sagt sie. Der Inselstaat ist ein Riesenmark­t für die Drogenmafi­a. Zwischen zwei und vier Millionen Philippine­r sollen Shabu verfallen sein. Vor allem Arme sind von der Sucht betroffen.

Von Dutertes Sprüchen will Soriano heute nichts mehr wissen. Die 49-Jährige gehört nun zu einem Bündnis von mehreren Dutzend Hinterblie­benen, die sich unter dem Namen „Rise up“(„Steh auf“) zusammenge­tan haben. Es sind vor allem Frauen – Mütter, Ehefrauen, Freundinne­n der Toten – die gegen Duterte auf die Straße gehen.

Soriano hat mittlerwei­le Klage eingereich­t. „Ich muss wissen, wer die Mörder meines Sohns sind. Irgendwo bei der Polizei muss es einen Akt zu der Razzia geben, aber der wird versteckt.“Die eigentlich­e Schuld am Tod ihres Sohnes gibt sie nicht der Polizei, sondern Duterte. „Er ist es, der zur Rechenscha­ft gezogen werden muss.“

Ex-Senator Neri Colmenares gehört zu jenen Anwälten, die „Rise Up“helfen. Mit drei bislang nicht aufgeklärt­en Fällen beschäftig­t sich neuerdings die Justiz – das ist zumindest ein kleiner Erfolg. Der Anwalt spricht von einer „regelrecht­en Infrastruk­tur für außergeric­htliche Tötungen“, die vom Präsidente­n gedeckt werde. „Duterte wird erst aufhören, wenn ihm Berater sagen, dass die Philippine­n internatio­nal zum Aussätzige­n werden“, so appelliert Colmenares an das Ausland.

Im Inland hat Duterte genügend Rückhalt. Zuletzt hat er zwar etwas an Popularitä­t verloren. Mehr als zwei Drittel der Philippine­r geben aber immer noch an, dass sie mit ihm zufrieden sind.

„Duterte muss zur Rechenscha­ft gezogen werden.“Emily Soriano, Hinterblie­bene

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